Im Mittelpunkt dieser Fotoreportage stehen die Tubu Teda und das Tibesti. Ziel ist es, zeitgenössische Eindrücke von einer Region der Zentralsahara und ihrer Bewohner zu geben. Die Zentralsahara und Menschen, die in ihr wohnen, finden heutzutage wenig Aufmerksamkeit, obwohl sie Beispiele von Leben und Umwelt in der Wüste geben, die im Kontext des Klimawandels von großem Interesse sein könnten. Der Autor der Reportage forscht seit 2014 in der Zentralsahara und war von 2018 bis 2020 Stipendiat der Gerda Henkel Stiftung. Im Mittelpunkt seines Forschungsprojekts stand das traditionelle Recht der Teda. Gleich zu Beginn dieser Reportage sei den Einwohnern der besuchten Regionen sowie allen Tschadern und Nigrern für ihre große Gastfreundschaft gedankt!
Der emi Tousside im nordwestlichen Tibesti. Das Tibesti ist ein Gebirge im Norden der Republik Tschad. Einige seiner nördlichen Ausläufer reichen bis in heutiges libysches Staatsgebiet hinein. Südlich des Tibesti erstreckte sich vor 10.000 Jahren noch der Paläo-Tschadsee. Grob eingrenzen lässt sich das Massiv nach Norden durch den 24. Breitengrad; im Süden reicht es fast bis an den 19. Breitengrad heran. Einzelne seiner Gipfel – emi auf der Sprache der Teda, seiner Einwohner –, gehen über 3.000 Meter hinaus. Der emi Koussi ist mit seinen 3.415 Metern sogar der höchste Berg der Zentralsahara; der emi Tousside (rechts im Bild) kommt auf 3.265 Meter.
Rast in den Bergen, südlich von Bardai. Das Tibesti ist von Vulkanismus geprägt, dessen Hauptphase im Neogen lag. Vulkanite bestimmen an vielen Orten das Landschaftsbild, und in Höhenlagen über 1.200 Metern trifft man fast ausschließlich auf sie. Darunter liegen Sandsteine, die wahrscheinlich aus dem Silur oder Permokarbon stammen. Präkambrisches metamorphes Gestein bildet die geologische Basis des Gebirges. Hochflächen liegen um oder über 2.000 Meter und erhalten damit ausreichend Niederschlag, so dass sich eine steppenartige Vegetation bilden kann.
Der Vulkanit Tougoundjou bei Zoui. In den Tälern des Tibesti findet sich oft oberflächennahes Wasser, und an einigen Orten sprudeln Quellen, die das ganze Jahr hindurch Wasser führen. Hier entstanden über die Jahrhunderte Oasen, in denen hauptsächlich Dattelpalmen wachsen.
Elefantengravuren von Gonoa. 9.000 Jahre und älter mögen diese Gravuren aus der Mittleren Warmzeit sein. Sie zeugen davon, dass die Umwelt- und Klimabedingungen im Tibesti und der Zentralsahara einmal ganz andere waren, als sie es heute sind. In einer über die Jahrtausende austrocknenden Region, die zur heutigen Sahara wurde, stellten Gebirge, wie das Tibesti, Gunsträume für Menschen, Tiere und Pflanzen dar. Möglicherweise war das Tibesti sogar ein Zentrum, von dem aus sich neolithische Kulturelemente bis in die heutigen Länder Ägypten, Sudan, und in die Tenere östlich des Air-Gebirges ausbreiteten.
Mädchen aus Zouar. Im Tibesti und angrenzenden Gebieten leben die Teda, eine Gruppe der Tubu. Tubu siedeln hauptsächlich im gesamten Norden der Republik Tschad, im Osten und Nordosten der Republik Niger, im Süden Libyens und teilweise sogar im sudanesischen Darfur.
Durch die Tenere. Möchte man das Tibesti und andere Orte, an denen die Teda leben, besuchen, dann begibt man sich auf eine Reise, die hunderte von Kilometern durch die Sahara führt, abseits von asphaltierten Straßen und befestigten Pisten. So durchquert man, nachdem man Agadez in Niger erreicht hat, auf noch weiteren 650 Kilometer gen Nordost die Tenere-Wüste, um nach Dirkou, dem Hauptort der Kawar-Oasenkette, zu gelangen. Hier leben bereits Teda, doch bis zum Tibesti wären es noch weitere 360 Kilometer gen Osten.
Bei Agadem verbrachte Nacht. Den Teda ist das Reisen zum Alltag geworden, und kaum jemand fühlt sich in der Wüste so zu Hause, wie sie. Sie wurden als Menschen beschrieben, die jederzeit zum Aufbruch bereit sind, die einen exzellenten Sinn für Orientierung haben, und die mit einem Minimum an Gepäck, Wasser und Nahrung auskommen. An vielen Orten, so unwirtlich sie auch scheinen mögen, können eine Rast eingelegt oder die Nacht verbracht werden.
Wegzeichen südlich von Faya. Kommt man aus der tschadischen Haupstadt N’Djamena, so führen zuerst 1.000 Kilometer nach Nordost, die u.a. die Djourab-Wüste durchqueren. Darauf erreicht man Faya, die Hauptstadt der Region Borku. Von dort sind es dann nochmals über 500 Kilometer nach Nordwest bis nach Zouar. Nur in Libyen reichen asphaltierte Straßen bis an die Südgrenzen des Landes. Hier aber herrscht seit dem Fall Gaddafis Bürgerkrieg, der oft vielen die Durchreise erschwert oder sie Ortsfremden gar unmöglich macht.
Autoreparatur südlich von Bardai. Hat man schließlich das Tibesti erreicht, dann geht die Fahrt weiter über unbefestigte Pisten: steile Auffahrten zu Gebirgspässen, Schutt- und Geröllhalden oder mit pulverförmigem Fech Fech bedeckte Flächen strapazieren das geländegängigste Auto, wie hier den Toyota Landcruiser auf der Fahrt von Bardai nach Süden. Doch noch der schwierigste Weg kann den Reisenden nicht vollkommen von der Einzigartigkeit der Gebirgslandschaften ablenken: Vegetationslose, von verwittertem und mit schwarzen Eisenkrusten überzogenem Sandstein bedeckte Ebenen, von blühenden Pionierpflanzen besiedelte Hochflächen, oder Vulkanite als Hintergrund von Oasen…
Tee-Pause in Flussterrassen bei der Abfahrt in Richtung Bardai. Begriffe wie „Zeit“, „Distanz“, „Durst“, „Hunger“ oder gar „Komfort“ werden in der Sahara und von denen, die sie durchreisen, relativiert. Dennoch fehlt es dem Reisen keineswegs an angenehmen Momenten. Denn es gibt eine Kultur der Mobilität, die sich auf die äußeren Umstände einzustellen weiß.
Das Taw-Tal im Nordenwesten von Zouar. Als Gunstraum in der Sahara bot das Tibesti mit seinen Gebirgstälern den dort lebenden Bevölkerungen natürliche Ressourcen, wie die Früchte der Dum-Palme, Wildgetreide und kleinere Weiden für Ziegen und einige Kamele. Aufgrund der Begrenztheit der Ressourcen kam es immer wieder zu Auswanderungen. Heute siedeln Teda u.a. auch in den Regionen Borku, Ennedi und Kanem der Republik Tschad, im Kawar, Djado und Manga, sowie im Termit-Gebirge der Republik Niger und im libyschen Fezzan und den Kufra-Oasen.
Teda in Dirkou. Die Teda sind eine äußerst egalitäre Gesellschaft. Eine Besonderheit stellt ihr ausgeprägtes Rechtssystem dar. Konflikte werden bis heute nach traditioneller Rechtsprechung gelöst, bei der Mittler über Schuld befinden und Kompensationszahlungen an das Opfer oder dessen Familie festlegen…
Vor der Moschee von Zoui. Mittler bei Konflikten können Häuptlinge und Älteste sein, aber auch jüngere Personen, die in der Gemeinschaft als unvoreingenommen und als in der eigenen Kultur und Geschichte bewandert gelten. Auf diesem traditionellen Rechtssystem beruhen Zusammenhalt und Stabilität der Gesellschaft.
Mutter mit Kindern in der Termit-Steppe. Die häufige, durch Reisen bedingte Abwesenheit der Männer hat dazu geführt, dass Teda-Frauen sehr selbständig sein können. Nomaden-Frauen bleiben manchmal über Monate hinweg alleine mit den Kindern und den Tieren in ihrem Lager weit draußen in der Steppe.
Nomaden-Junge bei den Termit-Bergen. Die Gewöhnung an das Reisen findet früh im Leben eines Teda statt, und gerade bei den Nomaden schärft eine draußen verbrachte Kindheit die Sinne für Steppen- und Wüstenlandschaften. Bereits kleine Nomadenkinder können, selbst dort, wo das Ziel außer Sichtweite ist, weite Entfernungen alleine zurücklegen, zum Beispiel zwischen teilweise kilometerweit voneinander entfernten Lagerplätzen, oder auf der Suche nach einem verlorenen gegangenen Kamel.
Dattelpalmen bei Gouro. Eine wichtige Erwerbsquelle in den Oasen stellte die Dattelpalme dar. Datteln sind ein Proviant, das auch bei Hitze und langen Reisen kaum verdirbt. An jedem Ort existiert eine Vielzahl lokaler Dattelvarietäten, die den jeweiligen Umweltbedingungen sehr gut angepasst sind.
Empfangshaus in Goubon. Die Kultur der Dattelpalme hat in den Oasen das Leben der Menschen in fast allen seinen Aspekten geprägt. So liefern die Stämme der Palme Balken zur Konstruktion von Häusern, ihre Wedel Paravents und die Mittelrippen der Blätter Material zur Dachbedeckung. Hier sind Durchreisende zu Gast bei einem Einwohner von Goubon und werden in seinem Empfangshaus willkommen geheißen.
Tränken der Tiere an einem Brunnen im Manga. Insbesondere auf den Weiden der Schwemmfächer außerhalb des Tibesti, wie auch im gesamten nördlichen Sahel, kann man große Kamelherden der dort lebenden Bevölkerungen antreffen. Kamele tragen an ihren Oberschenkeln, Flanken, am Hals oder unter dem Auge Brandzeichen der Clans und Familien, zu denen ihre Besitzer gehören.
Felsbild eines Kamels mit Reiter aus Nordborku. Nach der Austrocknung der Sahara wurde das Kamel zu einem Motiv der Felsbildkunst. Diese „Kamel-Zeit“ könnte vor ungefähr 2.000 Jahren begonnen haben. Wegen seiner Fähigkeit, weite Strecken ohne Trinken zurücklegen zu können, wurde das Kamel zum privilegierten Transportmittel der Menschen in der Sahara. Heute nimmt die Bedeutung des Kamels als Reittier aber mehr und mehr ab, da es durch wüstentaugliche Fahrzeuge, wie den Toyota Hilux Pick-up, ersetzt wird.
Auf dem Markt von Bardai. Früher spielte der Karawanenhandel eine wichtige Rolle. Heute werden Güter auf Fahrzeugen transportiert. Das seit 2013 durch Kleinbergbau im Tibesti gewonnene Gold hat zu einem Aufschwung der Handelstätigkeiten geführt. Ein großer Teil der Güter kommt über Libyen. Die Produkt-Palette dieses Händlers umfasst u.a. Zwiebeln, Matratzen, Kekse, Bonbons, Konserven, Guavensaft, Milchpulver, Matten, Tee, Zement, Zucker, La-vache-qui-rit-Käse und Gebetsteppiche. Wie in diesem Fall ziehen es viele Teda-Händler vor, von ihrem Fahrzeug aus zu verkaufen und dann wieder zu einer neuen Handelsreise aufzubrechen, anstatt sich mit einem Laden niederzulassen.
Gebirgsflora auf ungefähr 2.500 Meter Höhe. Was sind die Herausforderungen, denen sich die Teda in Zukunft werden stellen müssen? Klima- und Umweltwandel, der das sensible Ökosystem der Wüste besonders treffen mag, nehmen unter ihnen einen wichtigen Platz ein. Dazu kommt die nachhaltige Nutzung von Ressourcen.
Kinder auf einer Düne bei Gouro. Auch stellt die Ausbildung Angehöriger junger und kommender Generationen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe der Gegenwart und Zukunft dar. Die infrastrukturelle Vernetzung in der Zentralsahara und die mit benachbarten Regionen mag ebenfalls als Herausforderung der Zukunft gelten...
Reisende passieren ein Wegzeichen südlich von Zouar. Allerdings gelingt es den Teda bereits seit Jahrhunderten oder länger, diese Herausforderung der infrastrukturellen Vernetzung durch ihre Angepasstheit an das Reisen zu meistern. Dem Reisen selbst kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: anwu čuttû ereski kusuduōn ngali huna gěnna haranii sagt ein Sprichwort – wenn du mit jemandem reist, wirst du alle seine Eigenschaften kennenlernen.
Alle Fotos von Tilman Musch zwischen 2014 und 2020. Alle Rechte vorbehalten.
Weiterführende Literatur
Chapelle, Jean. 1982 (1958). Nomades noirs du Sahara. Les Toubous. Paris: L’Harmattan.
Cline, Walter. 1950. The Teda of Tibesti, Borku, and Kawar in the Eastern Sahara. Menasha, (Wisconsin): George Banta.
Gabriel, Baldur. 1973. Von der Routenaufnahme zum Weltraumphoto. Die Erforschung des Tibesti-Gebirges in der Zentralen Sahara. Berlin: Kiepert.
Weddeye, Goukouni. 2019. Combattant, une vie pour le Tchad. Paris: Espaces & Signes.
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