Der deutsche Künstler John Heartfield (1891-1968) zeigte mit seinen Fotomontagen, die zwischen 1930 und 1938 entstanden, dass Fake News keinesfalls ausschließlich ein Phänomen der Gegenwart sind. Denn mit seinen fotografischen Illustrationen, die in den Zeitungen der Zeit erschienen, kommentierte er das politische Geschehen. Dr. Vera Chiquet befasste sich in ihrer Dissertation mit dem Künstler und seinen Werken. Im Interview haben wir sie nach den Intentionen der künstlerischen Inszenierungen gefragt, aber auch, ob diese als Propaganda galten und inwieweit sie stellvertretend für die technische Weiterentwicklung der Fotografie standen.
"Versteckte Fotomontagen und Bezüge zu anderen Bildern"
L.I.S.A.: Dr. Chiquet, im Rahmen Ihrer Dissertation beschäftigten Sie sich mit den Fotomontagen John Heartfields in populären Illustrierten. Bevor wir mit den inhaltlichen Aspekten Ihrer Arbeit beginnen eine Frage vorab: Was inspirierte Sie dazu, sich mit dem Thema zu beschäftigen?
Dr. Chiquet: Von der Existenz dieser Fotomontagen wusste ich, weil sich meine Eltern in einer Ausstellung über John Heartfields Fotomontagen kennengelernt hatten. Das Besondere an diesen Kunstwerken ist ist für mich, dass ich sie in Originalzeitschriften betrachten konnte. Dadurch erkennt man, in welchem Kontexten diese Bilder entstanden sind und eingebettet wurden. Das hat mich gepackt und in den alten Heften zu schmökern war wunderbar für mich. Als ich dann weitere, versteckte Fotomontagen und Bezüge zu anderen Bildern entdeckt hatte, war in mir der Detektivtrieb geweckt – da wollte ich alles genauer wissen und bin dem auf den Grund gegangen.
L.I.S.A.: Was ist der genaue Untersuchungsgegenstand Ihrer Forschung – was sind die „Fake Fotos“ Heartfields? Und welches Quellenmaterial liegt diesen Überlegungen zu Grunde?
Dr. Chiquet: Was mir beim Blättern durch die Zeitschriften aufgefallen ist, sind die Referenzen. Die Bilder verweisen auf Artikel und kommunizieren mit anderen Fotografien oder Inseraten. Dieses Netzwerk von Anlehnungen, Umdeutungen und ironischen Brechungen ist ebenfalls mein Untersuchungsmaterial gewesen. Ich habe mich dabei auf ein paar besonders interessante Netzwerke konzentriert. Dass nicht nur die Magazine, sondern auch Skizzen und Arbeitsstufen-Montagevorlagen im Berliner Archiv der Akademie der Künste vorliegen, bewog mich dazu, auch den technischen Verfahren detektivisch auf die Spur zu gehen. Ich verbrachte tatsächlich Stunden mit Lupen im Archiv und ging den Herstellungsspuren der Fotomontagen nach.