Das Zeigen von nazistischer Emblematik, wie beispielsweise von Hakenkreuzen oder SS-Runen, ist im politischen Raum Deutschlands verboten. In der Populär-Kultur sind die Grenzen indes nicht so eindeutig abgesteckt. Im Gegenteil: Dort ist bildhafte NS-Symbolik nahezu omnipräsent, so die These der Kulturwissenschaftlerin Dr. Jelena Jazo. In ihrem Dissertationsprojekt hat sie das Nachleben faschistoider Ästhetik in Bildern der Gegenwart untersucht. Eines ihrer Ergebnisse: NS-Symbolik verliert im Post-Nazismus nach und nach ihren historischen Gehalt und entwickelt dabei zahlreiche neue Chiffren, mit vielfachen Anschlussmöglichkeiten an die sogenannte Populär-Kultur. Wie das genau zu verstehen ist, dazu haben wir unsere Fragen gestellt.
"Das heutige Bild des Nationalsozialismus gleicht einem Palimpsest"
L.I.S.A.: Frau Dr. Jazo, Sie haben sich in Ihrer Dissertation mit dem Nachleben faschistoider Ästhetik in Bildern der Gegenwart – so auch der Untertitel Ihres inzwischen erschienenen Buchs „Post-Nazismus und Populär-Kultur“ – aus bildwissenschaftlicher Perspektive beschäftigt. Wie kamen Sie zu diesem Thema? Welche Beobachtung ging dem voraus?
Dr. Jazo: Die Beobachtung, dass der Widerhall faschistoider Ästhetik im Grunde nahezu omnipräsent ist. In der zeitgenössischen Bildkultur ist der Nationalsozialismus beständiges Thema und Gegenstand unzähliger visueller und medialer Verarbeitungen. Es ist die Persistenz nationalsozialistischen Bildprogramms, die mich interessiert hat. Sedimente faschistoider Ästhetik finden sich in unterschiedlichen Bereichen (pop-)kultureller Bildproduktion, sei es in Film, in der Mode, in Bildphänomenen des Internets sowie in der Musik und ihren visuellen Ausdrucksformen wie Videoclips und Albumcovern. Diese unablässige Zirkulation hat Bildern des Nazismus eine neue Vitalität verliehen. So ist der Nationalsozialismus heute nicht mehr ausschließlich eine historische Tatsache, sondern gleichzeitig auch eine Bilder-Erzählung – neben den historischen Nazismus hat sich der mediale gestellt. Das heutige Bild des Nationalsozialismus gleicht somit einem Palimpsest, denn es ist durch seine (pop-)kulturellen Rezeptionen vielfach überschrieben, umgedeutet und neu interpretiert worden, weshalb mir eine Analyse des Bildprogramms, das die Popkultur der Gegenwart vom Nazismus zeichnet, unabdingbar erschien.