»Die Nazis konnten mit Goethe nichts anfangen.« Diese oft wiederholte Behauptung ist eine Halbwahrheit. Die Spaltung in den Ansichten zu Goethe ging mitten durchs nationalsozialistische Lager. Unser Goethe – Aufklärer, Humanitätsapostel, Weltbürger, Kriegsgegner, Freimaurer, Judenfreund – war bei Nationalsozialisten in der Tat verhasst. Aber diejenigen, die an einen anderen, uns fremden Goethe glaubten – Antiaufklärer, Nationalist, Kriegsbefürworter, Geheimbundgegner, Judenfeind – feierten Goethe in der NS-Zeit. Es war die selbstgestellte Aufgabe der Goethe-Gesellschaft in Weimar, der wichtigsten literarischen Vereinigung in Deutschland, diesem ›Deutschen Goethe‹ zum Triumph zu verhelfen – und dadurch ihre eigene Existenz zu sichern. Das gelang vor allem in den Jahren 1936-1938. Und weil sie viele Mitglieder im Ausland hatte, sah Goebbels für die Goethe-Gesellschaft eine kulturpolitische »Weltmission« vor, die ihr bedeutende Privilegien verschaffte. Auf Grund von bisher kaum benutzten Archivalien wird die Verstrickung der Goethe-Gesellschaft im ›Dritten Reich‹ erzählt.
Anschließend diskutiert W. Daniel Wilson (Reimar Lüst-Preisträger 2016) mit Professor Georg Braungart, Inhaber des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur an der Eberhard Karls Universität Tübingen und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Fritz Thyssen Stiftung.
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