Getrieben von einer fortschreitenden Computerisierung ihrer wissenschaftlichen Methodik und einer wachsenden Verfügbarkeit von digitalen Bildwerken ist in den letzten Dekaden in zahlreichen Disziplinen der Geistes- und Kulturwissenschaften ein erneuertes Interesse am Bild als Forschungsgegenstand und Erkenntnisinstrument zu beobachten. So begreift sich etwa die (digitale) Kunstgeschichte in der Erweiterung explizit als digitale Bildwissenschaft, hat die Geschichtswissenschaft als “Visual History” das lange vernachlässigte Medium Bild als Quellengattung neben dem Text wiederentdeckt, erfindet sich die Architekturgeschichte nicht zuletzt mit digitalen Instrumenten als Disziplin neu und haben sich junge Fächer wie die Material-Culture-Studies oder die Designgeschichte etabliert. Alle diese Disziplinen begegnen sich in den Digital Humanities als einem geteilten Wissensraum, dessen Erkundung ganz wesentlich von den Möglichkeiten der Informatik mitbestimmt wird. In dem hier vorliegenden Panel verorten Prof. Dr. Björn Ommer, Prof. Dr. Hubertus Kohle und Prof. Dr. Siegfried Handschuh den Stand der digitalen Bildforschung. Sie beleuchten dabei den State-of-the-art im Bereich automatisierter Verfahren der Computer Vision sowie gegenwärtige Wege und Visionen ihrer zukünftigen Anwendung in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Moderiert wird das Panel von Prof. Dr. Malte Rehbein.
Impulsvorträge
Björn Ommer, HCI/IWR Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg:
Gemeinsam Sehen - Computer Vision und Kunstgeschichte im Dialog
Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Maschinellen Lernens und der Computer Vision haben Algorithmen hervorgebracht, die Visual Retrieval mit einer zuvor ungeahnten Performanz ermöglichen. Dadurch ergeben sich für die digitalen Bildwissenschaften ganz neue Möglichkeitengroße Korpora zu erschließen und zu analysieren. Allerdings bringen diese neuen informatischen Verfahren auch ihre ganz eigenen Beschränkungen mit sich, die insbesondere bei ihrer Rekontextualisierung in den Geisteswissenschaften zutage treten. Dieser Vortrag wird das Potential einer interdisziplinären Kooperation von Informationswissenschaften und den Geisteswissenschaften diskutieren, grundlegende Beschränkungen beleuchten und mögliche Auswege präsentieren.
Hubertus Kohle, Ludwig-Maximilians-Universität München
Ähnlichkeitsbestimmung in der digitalen Kunstgeschichte
Das Statement widmet sich aus einer eher geisteswissenschaftlichen Perspektive heraus der digital gestützten Ähnlichkeitsbestimmung. Ähnlichkeit wird hier verstanden als Erkenntnismotor, der insbesondere in der Kunstgeschichtes einen Ort hat, die schon immer mit dem vergleichenden Sehen eine Methode des Erkenntisgewinns besaß. Abzuwägen wird sein, ob hierfür eher eine Metadatenanalyse oder die direkte Bildadressierung oder eine Mischung aus beidem zielführend ist.
Siegfried Handschuh, Universität Passau
Bild, mutimodaler Verbund und Automatisierung
Bildanalyse stellt eine besondere Herausforderung an die Fähigkeit von computerbasierten Verfahren Wissen zu generieren. Dass Bilder vollkommen ohne einen Bezug zu anderen Modi – hier besonders Text – vorkommen, ist eher eine Ausnahme als die Regel. Der multimodale Verbund von Bild und Text kann so durch Verfahren aus dem Bereich des maschinellen Lernens ausgewertet werden, um Wissen zu erzeugen, das einen breiteren Kontext berücksichtigt. Das Impulsstatement thematisiert diesen Zusammenhang insbesondere eine Methodik für die Repräsentation, Annotation und (teil)automatisierte Entdeckung multimodaler Wissensbestände in großen digitalen Materialkorpora und fragt wie Techniken der Computer Vision gewinnbringend mit Verfahren aus dem Bereich der Verarbeitung Natürlicher Sprache zusammengebracht werden können.