Zoologische Gärten, oder kurz Zoos, erfüllten und erfüllen in der modernen Gesellschaft ganz verschiedene Funktionen. Sie dienen der Bildung und Forschung, der Unterhaltung und der Erholung sowie dem Natur- und Artenschutz. Je nach Perspektive ergeben sich unterschiedlichste Erwartungen und Wahrnehmungen. In ihrem Buch "Applaus der Robbe. Arbeit und Vergnügungen im Zoo, 1850-1970" hat sich die Historikerin Dr. Wiebke Reinert dem Phänomen Zoo "vom Gehege aus" genähert. Hierzu haben wir ihr unsere Fragen gestellt.
"Tiere waren in der modernen Stadt omnipräsent"
L.I.S.A.: Frau Dr. Reinert, Sie sind Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Stadterneuerung und Planungstheorie des Instituts für Urbane Entwicklungen der Universität Kassel. In Ihrem Buch „Applaus der Robbe: Arbeit und Vergnügen im Zoo, 1850-1970“ haben Sie sich mit der Geschichte des Zoos auseinandergesetzt. Was interessiert Sie am Verhältnis von Mensch und Tier, und was haben Zoos mit urbaner Entwicklung zu tun?
Dr. Reinert: Zoos sind eine besondere Ausprägung moderner Tier-Mensch-Verhältnisse und sie sind eng verknüpft mit der Entwicklung der modernen Stadt. Als Historikerin interessiert mich die Geschichte der urbanen Entwicklung und die Frage, wo Menschen ihre Freizeit verbringen und wie sie das tun. Jenseits von „städtebaulichen Leitbildern“ oder Flächenentwicklungsplänen macht das die städtische Alltagskultur aus. Überdies aber, auch wenn mein Fokus für das Buch auf anderen Aspekten lag, war der Zoo durchaus Teil von Kontroversen zur Stadtentwicklung: Für diese Betriebe und ihre Anlagen brauchte es natürlich Fläche, die auch erschlossen werden musste. Bereiche, in denen die einen gerne einen Zoo angelegt hätten, wollten andere in der Stadtverwaltung lieber für die Verkehrsentwicklung genutzt wissen.
Tiere waren in der modernen Stadt omnipräsent: als Nutztiere in Hinterhöfen, im Schlachthof, als Transporthelfer, natürlich auch als ‚Lästlinge‘ (Ratten, Läuse, Tauben) und eben im Zirkus, Varieté und im Zoo. Diese Unterhaltungstiere hatten eine kulturbildende Rolle hinsichtlich der Verhältnisse zwischen Menschen und Tieren.