Die Einigung Europas seit 1945 zielte anfangs auf Friedenssicherung. Heute treten der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und des Klimas in den Vordergrund, auch um Konflikte zu vermeiden, die durch Umweltzerstörung verursacht oder verschärft werden können. Laut Eurobarometer-Umfragen zählen Umwelt-, Klima- und Ressourcenpolitik zu Europas Stärken. Eher als ihren eigenen Regierungen trauen die Bürger es Brüsseler Beamten zu, die Zukunftschancen ihrer Kinder zu bewahren. Warum ist das so? Und was kann die Wissenschaft zu einer nachhaltigen Umweltpolitik beitragen? Wir haben R. Andreas Kraemer, dem Direktor des Ecologic Institut für Internationale und Europäische Umweltpolitik, unsere Fragen gestellt.
"Wir beobachten, forschen und berichten"
L.I.S.A.: Herr Kraemer, Sie sind Direktor des Ecologic Instituts in Berlin, das als Forschungsorganisation schwerpunktmäßig Umweltforschung betreibt. Was macht das Institut genau und wo liegen die Schwerpunkte? Welche Umweltthemen stehen derzeit ganz oben auf der Agenda?
Kraemer: Das Ecologic Institut will Politik verbessern. Wir schauen auf das Tun der Politiker, vor allem in Brüssel und Berlin, aber auch in anderen Hauptstädten und in Unternehmen, Städten und Landkreisen, überall wo sich etwas ändern muss oder bereits Gutes getan wird. Wir beobachten und berichten darüber, wir analysieren und forschen und veröffentlichen die Ergebnisse in wissenschaftlichen Beiträgen und Büchern. Wer wissen will, was das Ecologic Institut macht, kann das auf Facebook, Twitter oder LinkedIn gut verfolgen.
Schwerpunkte sind einerseits die wissenschaftliche Forschung, die in unserem Fall nicht nur exzellent und einfach interessant sondern vor allem auch direkt relevant für die Lösung von gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen sein soll. Andererseits gibt es bei uns die auf Wissenschaft aufbauende politische und praktische Arbeit, mit der wir Verantwortlichen auf allen Ebenen Antworten auf drängende Fragen geben wollen. Dabei ist das Spektrum der Themen breit:
- Gewässerschutz und Umgang mit Wasserressourcen mit seinen Auswirkungen zum Beispiel auf den Schutz der Böden und die Lebensmittelversorgung;
- Überhitzung der Erde und was wir dagegen bei Energie, Verkehr, Wohnen und Landwirtschaft tun können;
- Anstieg des Meeresspiegels und Zukunft von Küsten und Inseln;
- Sparsamer Umgang mit knappen Ressourcen und Innovation;
- Umweltzerstörung und ihre Wirkung auf Menschen und ihre Lebensumstände; Klimaflüchtlinge und sich durch Migration möglicherweise verschärfende Konflikte;
- Entwicklung der Arktis als einem Raum, in dem neue Formen der Kooperation auch mit Russland eingeübt werden können, in dem sich aber neue Konfrontationen ergeben können;
- Bekämpfung der Umweltkriminalität, und Erforschung ihres Verhältnisses zum organisierten Verbrechen, von Schmuggel, über Menschenhandel und Piraterie bis hin zu Terrorismus.
Diese und viele andere Themen sind alle wichtig. Keines darf ignoriert werden. Aus dem Ausland aber kommt zur Zeit im Grunde nur eine Frage: Wie weiter mit der Energiewende, und welche Fehler hat Deutschland gemacht, die andere Länder nun nicht noch einmal machen müssen? Die Experten des Ecologic Instituts sind hier derzeit weltweit gefragt.