Im Frühjahr 1873, vor 150 Jahren, weilte eine Delegation japanischer Gesandter für einige Wochen im Deutschen Reich. Im Rahmen der Iwakura-Mission sollten Sie Wissen und Knowhow im Westen zusammen- und in das aufstrebende Land der aufgehenden Sonne hinübertragen. Der Aufenthalt der Delegation in Deutschland bildete den Startpunkt einer langen gemeinsame Geschichte beider Länder, die bis in die Gegenwart und das japanische Düsseldorf führt. Mit dem Japanologen und Soziologen Prof. Dr. Christian Tagsold, Heinrich Heine Universität Düsseldorf, haben wir über diesen Auftakt der deutsch-japanischen Beziehungen gesprochen.
"Den Modernisierungsprozess im eigenen Land zu beschleunigen"
L.I.S.A.: Herr Professor Tagsold, vor 150 Jahren schickte die japanische Regierung im Rahmen einer Weltreise eine Gesandtschaft von Politikern und Gelehrten nach Deutschland, um dort Wissen über Verwaltung, Industrie und Bildungswesen zusammenzutragen. Wie kam es zu der Reise und was erhoffte sich die japanische Regierung von dieser Mission?
Prof. Tagsold: Das Shogunat, das in Japan bis 1868 regierte, hatte in den 1860er Jahren bereits zwei größere Missionen in den Westen entsandt, um Informationen zu sammeln. Die neue Regierung wollte nun vor allem drei Ziele erreichen. Zum einen sollten die ungleichen Verträge, die das Land noch unter dem Shogunat mit dem Westen geschlossen hatte, nach Möglichkeit revidiert bzw. aufgehoben werden. Dann sollte im Westen besser vermittelt werden, dass der Kaiser 1868 formal die politische Macht vom Shogun übernommen hatte. Schließlich wollte die Mission möglichst viele Informationen über den Westen, also die USA und Europa sammeln, um den Modernisierungsprozess im eigenen Land zu beschleunigen. Die Revision der Verträge misslang – und der Delegation dürfte sowieso klar geworden sein, dass es noch ein weiter Weg war, bis die westlichen Staaten Japan als gleichwertigen Partner anerkennen würden. Deshalb gewann speziell das Ziel, Wissen zu erwerben, einen immer höheren Stellenwert. Immerhin hatte man Studenten mitgenommen, die jeweils in den Gastländern zurückgelassen wurden, um dort noch mehr zu lernen.