Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es in Europa nicht mehr so viele Geflüchtete wie heute. Ihre Herkunftsstaaten versagen ihnen den Schutz staatsbürgerlicher Rechte. Bieten Menschenrechte in dieser Situation adäquaten Ersatz? Ausgehend von dieser Frage der Gegenwart nimmt Dieter Gosewinkel das Verhältnis von Staatsbürgerschaft und Menschenrechten aus historischer Perspektive in den Blick. Beide Konzepte traten mit der französischen Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte 1789 gleichzeitig in die Geschichte des europäischen Rechts ein, standen aber stets in einem Spannungsverhältnis zueinander.
Die Staatsbürgerschaft bildete sich im 19. und 20. Jahrhundert zu einer zentralen Institution individuellen Rechtsschutzes aus – nicht selten um den Preis der Verdrängung universeller Menschenrechte, scharfer Exklusion und Nationalisierung. Dagegen setzte der Aufschwung der Menschenrechte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Anspruch universellen Rechtsschutzes. Seitdem bestehen Menschen- und Staatsbürgerrechte im europäischen Recht nebeneinander. Sie sollen gemeinsam dem Individuum Schutz gewähren. Angesichts des neuen Nationalismus in Europa stellt sich allerdings die Frage, ob die Spannung zwischen beiden Konzepten wieder zunehmen wird.
Der Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert lädt alle Interessierten herzlich ein und bittet um Anmeldung unter: www.fritz-thyssen-stiftung.de
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Wir haben es u.a. bei der alten, wie der neuen Völkerwanderung mit sehr vielen individuellen Trägern, und juristischen Repräsentanten von Kulturen, zu tun. Haben sie nicht alle in Gänze verschiedene Ethiken, ja just solche, die unserer Ethik (Menschenrechte) zutiefst widersprechen? Wir sollten uns in der Tat sehr davor hüten, arrogant von unserem Standpunkt jene für primitiv zu erachten (das ist europäische Arroganz). Wir sollten vielmehr wahrhaftiger als bisher erkunden, warum bestimmte Naturethnien diese oder jene Regeln haben, die unter deren Lebensbedingungen ganz vernünfig sein können, selbst wenn die Entwicklung und der Übergang zu anderen Verhältnissen sie verändert.