Das Prinzip des Omnisportvereins oder auch Allsportprinzips bezeichnet ein Konzept, in dem alle Sportarten eines Ortes bis zu einer bestimmten Größe in einem Verein zusammengefasst werden. An der Saar wurde dies gleich zwei Mal umgesetzt: zum ersten Mal während der Nationalsozialistischen Herrschaft, zum zweiten Mal nach 1945 während der französischen Besatzungszeit. Dr. Bernd Reichelt betrachtete diese "Gleichschaltung" des Vereinssports in Lothringen und der Saar von 1935 bis 1950. Im Interview geht er unter anderem auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Zeiträume sowie den Umgang der Vereine mit der Sportpolitik ein.
"Staatlich kontrollierbare Sportgemeinschaften"
L.I.S.A.: Sie betrachten in Ihrer Arbeit die nationalsozialistische Sportpolitik und die französische Sportpolitik der Besatzungszeit. Inwiefern sind diese Ausprägungen vergleichbar, wo zeigen sich Unterschiede?
Reichelt: Sowohl die Nationalsozialisten als auch die französische Militärregierung versuchten, den Bereich des Sports zu beherrschen beziehungsweise unter staatliche Kontrolle zu bringen. In meinem Beitrag zur „Gleichschaltung“ der Sportvereine gehe ich vertiefend auf einen Teilaspekt meiner Dissertation ein: das Sportorganisationsprinzip der Omnisport- oder auch Allsportvereine. Unterschiedliche Sportdisziplinen, angefangen vom Schachspiel bis hin zum Fußballsport, sollten sich in einem Ort nicht mehr in unterschiedlichen Vereinen, sondern in einem einzigen Großverein organisieren.
Sowohl in der Zeit des Nationalsozialismus wie auch in der französischen Besatzungszeit sollten die traditionellen bürgerlich geprägten Sportvereine durch staatlich kontrollierbare Sportgemeinschaften ersetzt werden. Im „Dritten Reich“ wurde noch vor dem Krieg damit begonnen, Großvereine zu schaffen. Bezeichnungen wie „Verein für Leibesübungen“ (VfL) haben sich bis heute gehalten. Ein Beispiel ist der 1938 entstandene Verein VfL Bochum. Noch weiter gingen die Nationalsozialisten im 1940 besetzten Lothringen, das quasi als Versuchslabor genutzt werden konnte. Nach der vollständigen Zerschlagung des dortigen Vereinswesens wurde in jedem größeren lothringischen Ort eine Turn- und Sportgemeinschaft (TSG) gegründet, die personell mit der Deutschen Volksgemeinschaft – der lothringischen Ersatzorganisation der NSDAP – verbunden war. Bewusst wurde hierbei auf die Bezeichnung Verein verzichtet.
Auch im französisch besetzten Saarland sollten nach 1945 die traditionellen Sportvereine zerschlagen werden und durch Omnisportvereine ersetzt werden. Sie durften weder einen politischen noch konfessionellen Charakter haben. Das Omnisportprinzip entsprach in seinem Zentralismus und seiner verwaltungstechnischen Effizienz ganz den traditionellen Vorstellungen der „Grande Nation“ und erstreckte sich neben den Vereinen auch auf die Dachorganisationen. Die Omnisportvereine im Saarland ähnelten sich in ihrer rein funktionellen Art und Weise den nationalsozialistischen Großvereinen. Anders als in diesen nach dem Führerprinzip organisierten Gemeinschaften, waren in den Omnisportvereinen französischer Prägung allerdings demokratische Elemente angelegt und erwünscht, weswegen ein Vergleich beider Organisationsformen legitim, eine Gleichsetzung dagegen fehl am Platze ist.