Der 300. Geburtstag der einzigen Frau auf dem Habsburger-Thron ist in Österreich ein besonderes nationales Ereignis. An die einstige Kaiserin Maria Theresia erinnern seit einer Woche staatliche und andere Institutionen in zahlreichen Festakten und Veranstaltungen. Die Tochter von Kaiser Karl VI. und seiner Gemahlin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, die 1740 nach dem Tod ihres Vaters die Regierungsgeschäfte der Habsburgermonarchie übernahm, wird von der Republik Österreich bis heute als Gründerin, Reformerin und Landesmutter gefeiert. Woran liegt es, dass eine Monarchin aus der Zeit des Absolutismus zur Symbolfigur einer Republik werden konnte? Wer war die einzige Frau an der Spitze der Habsburger? Der Historiker Prof. Dr. Thomas Lau von der Université de Fribourg hat eine neue Biographie über Maria Theresia verfasst. Wir haben ihm dazu unsere Fragen gestellt.
"Die Figur der Maria Theresia bildet einen Breitbandmythos"
L.I.S.A.: Herr Professor Lau, Sie haben eine Biographie über die einzige Frau auf dem Kaiserthron des Habsburgerreichs geschrieben: „Die Kaiserin. Maria Theresia“, deren Geburtstag sich in diesem Jahr zum 300 Mal jährt. Was hat Sie zu diesem Projekt geführt? Warum haben Sie sich der Erforschung Maria Theresias gewidmet?
Prof. Lau: In Österreich ist sie allgegenwärtig. Schon wenn Sie im ehrwürdigen Wiener Haus-Hof- und Staatsarchiv die Treppen hinauflaufen, schreiten Sie an ihrer Statue vorbei. Vor dem Kunsthistorischen Museum finden Sie die nächste. Als häufiger Gast in der österreichischen Hauptstadt hat mich diese Figur neugierig gemacht. Auch deshalb, und dies ist der zweite Anknüpfungspunkt, weil ihre Figur in einem merkwürdigen Zusammenhang mit der Konstruktion der österreichischen wie der deutschen Nation steht – und hier befinden wir uns in einem Kerngebiet meiner Forschungen. Die Figur der Maria Theresia bildet schon seit dem 18. Jahrhundert einen Breitbandmythos. Sie wurde als Begründerin der k.u.k. Monarchie, ebenso wie als deutsche Frau oder als Mutter Österreichs gefeiert. Diese vielfältige Verwendbarkeit, faszinierte mich – zumal und jetzt komme ich zum dritten und letzten Punkt, sie bereits die Phantasie ihrer Zeitgenossen beschäftigte. Maria Theresias Regentschaft und ihre wohlinszenierte Rivalität mit Friedrich II. stellte Weichen auch für die Entwicklung und das Ende des merkwürdigen Alten Reiches, mit dem ich mich ebenfalls seit vielen Jahren beschäftige.