Abistreich, Mottowoche, Autokorso und Abiball - dies sind nur einige der jährlich wiederkehrenden Rituale der AbiturientInnen. Den Start machen dabei meist die Mottowoche und der Abistreich. Auch in NRW verabschieden sich die ältesten Schuljahrgänge in dieser Woche in die Prüfungsvorbereitungen. Wir haben dieses Ereignis zum Anlass genommen, der Entwicklung von Abituritualen näher auf den Grund zu gehen, und mit der Kulturanthropologin Dr. Katrin Bauer ein Interview geführt. Sie setzt sich in Ihren Forschungen intensiv mit dieser Thematik auseinander. Dabei wollten wir wissen, ob sich Zäsuren in der Entwicklung festmachen lassen - etwa eine Politisierung oder Entpolitisierung - und wie sich die Radikalisierung der Rituale der letzten Jahre erklären lässt.
"Am Ende eines wichtigen Lebensabschnittes"
L.I.S.A.: Frau Dr. Bauer, Sie haben sich als Kulturforscherin auf ein ungewöhnliches Fachgebiet spezialisiert: Die Rituale der Abiturientinnen und Abiturienten, umgangssprachlich unter anderem als Abistreich bezeichnet. Was hat Sie veranlasst, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen? Und wie erfolgt Ihre Auseinandersetzung mit dem Thema?
Dr. Bauer: Die Rituale der AbiturientInnen sind ein Forschungsgegenstand unter vielen, mit denen wir uns als Kulturwissenschaftler im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte beschäftigen. Die Rituale sind deshalb so spannend, da sie an eine Überganssituation geknüpft sind, in der sich die AbiturientInnen befinden. Sie stehen am Ende eines wichtigen Lebensabschnittes – der Schulzeit –, der nun zu Ende geht und dieses wird symbolisch mittels der Abifeierlichkeiten bewältigt. Aktuell bestehen diese aus einer Vielzahl an Einzelelementen: Mottowoche, Streich, Show mit spielerischen Wettkämpfen, T-Shirts, Autokorso, Zeitung und Ball sind nahezu überall obligatorisch. Trotzdem wandeln sich die Feierlichkeiten permanent und reagieren auf veränderte Bedürfnislagen. Intensität und Ausgestaltung der letzten Schultage spiegeln gesellschaftliche Wertigkeiten wider und dies macht sie für eine kulturanthropologische Betrachtung so spannend. Um Quellen zu erheben, sind wir nah an den Akteuren, führen Interviews und begleiten sie bei ihren Aktivitäten. Das erhobene Material werten wir dann aus.