Im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, das 1924 als Veteranen- und Wehrverband gegründet wurde, fanden sich Anhänger der SPD, DDP und des Zentrums sowie zahlreiche Parteilose zusammen. Ziel der Organisation war es, den Schutz der Weimarer Republik angesichts rechtsnationaler und antirepublikanischer Bedrohungen zu gewährleisten. Dazu zählte auch der Schutz marginalisierter Menschen sowie die Dokumentation rechtsextremer und antisemitischer Vorfälle - und man schreckte auch nicht vor dem Einsatz aktivistischer Gewalt zurück. Gerade heute zu Zeiten wiedererstarkender rechter Parteien werden häufig Vergleiche zwischen der Bundesrepublik und der Weimarer Republik angestellt. Welche Lehren wir aus der Geschichte des Reichsbanners ziehen können, besprachen wir mit Dr. Stefan Elsbach im L.I.S.A.Interview.
"Das Reichsbanner vereinte mehr Männer als alle antirepublikanischen Organisationen zusammen"
L.I.S.A.: Herr Dr. Elsbach, Sie haben einen gewichtigen Band in der Reihe „Weimarer Schriften zur Republik“ veröffentlicht. Auf beinahe 600 Seiten widmen Sie sich dem Veteranen- und Wehrverband „Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“. Was hat Sie bewogen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen?
Dr. Elsbach: Die Geschichte des Reichsbanners bildet eine sehr wichtigste Leerstelle in der Forschung zur Weimarer Republik und zur jüngeren deutschen Geschichte insgesamt. Mit der Arbeit möchte ich dazu beitragen, dass dieser Missstand behoben wird, aber ich behaupte nicht, dass ich dies trotz des Umfanges meines Buches komplett geschafft habe. Es ist nicht damit getan, so wie es bisher üblich ist, das Reichsbanner als größte demokratische Massenorganisation dieser (und jeder anderen) Zeit mit einem oder zwei Sätzen abzutun. Nach dem Motto: „Die konnten ja eh nichts tun und waren gegenüber der SA hilflos.“ Dass solche Sätze aber – trotz einiger sehr guter Arbeiten zum Reichsbanner in jüngerer Zeit – nach wie vor die Rezeption des Reichsbanners in der Wissenschaft bestimmen, finde ich empörend. Die Weimarer Republik als „Republik ohne Republikaner“ zu beschreiben, schlägt doch genau in diese abgewetzte Kerbe. Wahr ist aber, dass das Reichsbanner mit über 1,5 Millionen Mitgliedern bis zum bitteren Ende mehr Männer vereinte als alle antirepublikanischen Organisationen zusammengenommen. Ich könnte also mit genauso wenig Recht die Weimarer Republik als „Republik ohne Antirepublikaner“ beschreiben und weitere wissenschaftliche Verwirrung stiften. Warum die Republik trotz der Tatsache zerstört werden konnte, dass die militanten Antirepublikaner eine Minderheit waren, ist eine Frage, der ich nachgehen möchte.