Darstellung, Vermittlung und Wahrnehmung von Politik gehören seit jeher zu den Kernfunktionen politischer Kommunikation. Die entscheidenden Akteure innerhalb dieser Prozesse sind Vertreter aus Politik und Medien sowie die Öffentlichkeit. Kritiker behaupten, dass es im Zuge der voranschreitenden Medialisierung der Gesellschaft den Medien gelungen sei, ihre inneren Logiken und Mechanismen auf das Feld der Politik zu übertragen. Der Politikwissenschaftler Thomas Meyer prägte in diesem Zusammenhang den Begriff der Mediokratie, in der die Politik von den Medien kolonialisiert werde. Der Soziologe Prof. Dr. Michael Jäckel und der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Uwe Jun haben aktuelle Studien zum Verhältnis von Politik und Medien in einem neuen Sammelband veröffentlicht. Wir haben sie dazu befragt.
"Es gibt eine Multiplikation der Kanäle, über die kommuniziert wird"
L.I.S.A.: Herr Professor Jäckel, Herr Professor Jun, Sie haben einen neuen Sammelband zu Wandel und Kontinuität der politischen Kommunikation herausgegeben. Ein bereits weit erforschtes Feld. Was hat Sie dazu bewogen, das Thema „Politische Kommunikation“ neu aufzumachen?
Prof. Jäckel/Prof. Jun: Es gab zwei Anlässe für die Tagung und das Buch, das dann daraus hervorgegangen ist. Vor etwa 20 Jahren veranstaltete Michael Jäckel mit einem Kollegen der Universität des Saarlandes, Peter Winterhoff-Spurk, eine Tagung zum Thema „Politik und Medien“. Damals hieß der Untertitel des daraus entstandenen Buches „Analysen zur Entwicklung der politischen Kommunikation“. Nach langer Zeit kam die Frage auf, ob die damaligen Fragen – Entpolitisierung, Infotainment, Personalisierung der Politik - um nur wenige Beispiele zu nennen – auch heute noch aktuell sind. Wir kamen schnell zu dem Ergebnis, dass sie es sind. Gleichwohl stand die damalige Tagung noch sehr stark unter dem Eindruck der Erfahrungen mit dem dualen Rundfunk, also dem Nebeneinanderexistieren von öffentlich-rechtlichem und privat-kommerziellem Rundfunk. Das war ein beherrschendes Thema zur damaligen Zeit. Die aktuelle Diskussion aber wird nicht mehr so sehr durch diese Differenz bestimmt. Die Konsequenzen von Vielfalt werden schon seit längerem nicht mehr alleine an dieser Unterscheidung festgemacht, sondern an einer Multiplikation der Kanäle, über die kommuniziert werden kann und an einer Neubestimmung des Verhältnisses von Sender und Empfänger. Der Satz „Voices have multiplied but not ears“, der aus den Frühtagen der Informationsgesellschaft stammt, darf wohl auch heute noch zitiert werden. So gesehen gibt es eine Kontinuität der Beobachtungen, aber auch ein noch Mehr an Stimmen, das in einer sehr dynamisch sich verstärkenden Medienumwelt ein Ringen um gute Entscheidungen erschwert.