Die Architekten Rudolf Schwarz (1897–1961) und Oswald Mathias Ungers (1926–2007), beide zu unterschiedlichen Zeiten Professoren an der Düsseldorfer Kunstakademie, waren Nachbarn. Nachbarn im Geiste? Nachbarn vor Ort jedenfalls. In Köln-Müngersdorf hatte Schwarz, berühmter Kirchenbauer und unmittelbar nach dem Krieg Kölns Generalplaner, 1954–56 für sich ein bescheidenes Wohnhaus errichtet. Kurz darauf, 1958–59, baute der junge Ungers ein paar hundert Meter entfernt sein eigenes Haus, ein Architektur - manifest, das ihm internationalen Ruhm einbrachte.
Aus der räumlichen Nähe ergaben sich manche Begegnungen. Nähe bestand auch in den Positionen. Beide bekannten sich zur Architektur als Baukunst. Beide forderten Autonomie der Form. Bilder, Metaphern, Analogien sollten die Fülle der Daten und Erscheinungen ordnen. Gleichzeitig und scheinbar widersprüchlich neigten beide Baukünstler zur Abstraktion, die beim späten Ungers bis zu einer rigoros schweigsamen Architektur führte. Noch einer seiner letzten Entwürfe, für die Kirche St. Theodor in Köln-Vingst, zitiert einen Bau von Schwarz, die Fronleichnamskirche in Aachen (1930), gewidmet dem „Gott, der Geometrie treibt“.
Der Vortrag erinnert an den 50. Todestag von Schwarz am 3. April – und an ein wenig bekanntes Kapitel deutscher Architekturgeschichte.
Wolfgang Pehnt lebt als Architekt in Köln und war u.a. von 1995 bis 2009 Architekturhistoriker an der Ruhr-Universität Bochum und von 1963 bis 1995 beim Deutschlandfunk verantwortlich für die Themen Kunst und Literatur. Seit 2009 ist er Mitglied Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste.