Der französische Poststrukturalismus, auch als "French Theory" bekannt, hat das Denken über Geschichte, Kultur und Sprache weit über die Grenzen Frankreichs hinaus beeinflusst und geprägt. Der neue Diskurs setzte nicht nur in der Wissenschaft Debatten frei, sondern auch in Feuilletons und Literatur. Neue Verlage mit dem Schwerpunkt "Theorie" entstanden, etablierte Verlage setzten entsprechende Publikationsreihen auf. Wie erklärt sich dieser Aufstieg? Wie ist das Konzept des Poststrukturalismus mit dem der Postmoderne verbunden? Und was ist heute noch davon geblieben? Der Literaturwissenschaftler Dr. Klaus Birnstiel von der Universität Basel hat ein Buch über die Geschichte des Poststrukturalismus geschrieben. Wir haben ihm dazu unsere Fragen gestellt.
"Entscheidende Rolle der französischen Philosophie des Poststrukturalismus"
L.I.S.A.: Herr Dr. Birnstiel, Sie haben ein Buch über die Geschichte des Poststrukturalismus geschrieben. Was hat Sie dazu veranlasst? Welche Vorüberlegungen gingen diesem Projekt voraus?
Dr. Birnstiel: Es ist nicht besonders einfach zu sagen, welche intellektuellen Strömungen unsere Gegenwart eigentlich prägen – die Angebote sind vielfältig, und klare Richtungen kaum auszumachen. Vor dem Hintergrund meines Studiums der Literaturwissenschaft, der Geschichte und der Philosophie ist mir aber aufgefallen, dass die französische Philosophie des Poststrukturalismus, wie sie sich seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt hat, bis heute eine entscheidende Rolle spielt. Eine Darstellung der Geschichte dieses Denkens aber gab es bis dato nicht wirklich. Mir erschien es lohnend, diese Geschichte zu erzählen, und das habe ich versucht.