Welche Spuren hinterlässt der Transport eines Leichnams von Kleinasien nach Trier im archäologischen Befund? Diese Fragestellung steht im Mittelpunkt des Projektes von Dr. Nicole Reifarth, das seit letztem Jahr von der Gerda Henkel Stiftung gefördert wird und sich dem Grab des Bischofs Paulinus widmet. Aus diesem überliefert sind Textilien, Balsamierungsrückstände, Pflanzenbeigaben und menschliche Überreste – die nun im Rahmen des Projektes und in Zusammenarbeit mit Studierenden der Restaurierungswissenschaft an der Technischen Hochschule Köln untersucht werden. Das Besondere an dem Projekt ist jedoch nicht nur seine wissenschaftliche Relevanz – sondern auch, dass das Projekt in den kommenden Monaten in einem neuen Kommunikationsformat auf L.I.S.A. vorgestellt werden soll.
"Translation der sterblichen Überreste"
L.I.S.A.: Frau Dr. Nicole Reifarth, Sie haben kürzlich die Arbeiten an einem Forschungsprojekt begonnen, das von der Gerda Henkel Stiftung gefördert wird und in dessen Rahmen das Grab des Bischofs Paulinus näher untersucht wird. In aller Kürze vorab: Wer war der Bischof und warum ist ausgerechnet sein Grab von wissenschaftlicher Bedeutung?
Dr. Reifarth: Bischof Paulinus amtierte vermutlich von 347-358 in der damaligen Kaiserresidenz Trier und wurde bereits zu Lebzeiten für seine Standhaftigkeit in theologischen Auseinandersetzungen der frühen Kirche verehrt. Während eines von Kaiser Constantius II. im Jahr 353 in Arles einberufenen Konzils widersetzte er sich der geforderten Verurteilung seines Glaubensbruders Athanasius und wurde daraufhin in Verbannung geschickt. Wie Zeitgenossen noch berichten, verstarb er nur wenige Jahre später im Exil im kleinasiatischen Phrygien (heute Zentralanatolien). Und jetzt beginnt der für uns so spannende Aspekt: Bereits kurz nach seinem Tod, spätestens wohl unter dem Trierer Bischof Felix (386-398/99), wurde sein Leichnam von Phrygien nach Trier überführt und in einer Grabbasilika, dem Vorgängerbau der heutigen Kirche St. Paulin, beigesetzt. Für dieses erstaunliche Unterfangen sind im 4. Jahrhundert kaum Parallelen bekannt. Von ganz wesentlicher Bedeutung für unser Projekt ist die außerordentliche Erhaltung des Grabes bzw. der Grabausstattung, sodass die Translation der sterblichen Überreste einer hochstehenden Persönlichkeit über knapp 3000 km quer durch das Römische Reich auf einzigartige Weise materiell greifbar wird.