L.I.S.A.: Stichwort Silvio Berlusconi: Seine Forza Italia hat in Italien die Zweite Republik dominiert. Forza Italia richtet sich vor allem an eine christdemokratisch und liberal geprägte Wählerschaft. Ist das die Fortsetzung der Democrazia Cristiana unter einem neuen Label? Was ist neu bzw. anders an der von Berlusconi geführten Forza Italia?
Prof. Dipper: Neu ist, wie oben bereits kurz angesprochen, die Tatsache, dass ein Unternehmer zur Sicherung seines Konzerns 1994 in die Politik ging, eine Partei gründete, sie von seinen Managern führen ließ und auf Anhieb Wahlen gewann, weil er besser als seine Herausforderer das neue, Parteibündnisse prämiierende Wahlrecht durchschaute. Neu ist auch, dass diese Partei wie eine Firma geführt wird, und zwar bis heute. Neu war anfangs ebenfalls das politische Personal, denn Überläufer akzeptierte Berlusconi lediglich auf lokaler und Provinzebene.
Die Kombination von liberalem Tonfall (weshalb die Unternehmer und Wirtschaftsverbände jahrelang Forza Italia massiv unterstützten) mit nationalistischen und latent antisüdlichen und deshalb auch latent rassistischen Parolen ist dagegen weniger neu, als man zunächst meinen könnte; sie zeichnete schon den italienischen Liberalismus vor 1945 aus; er hatte nicht von ungefähr mit dem Faschismus koaliert.
Die Partei profitiert außerdem vom Ende des republikanischen Gründungsmythos, dem Widerstand, das es ihr schon 1994 erlaubt hat, mit den gewendeten Neofaschisten, bisher von aller Beteiligung abgehalten, ein Wahlbündnis einzugehen. 2009 fusionierten beide zum Popolo della Libertà, 2010 verließ Fini mit einigen Getreuen die Partei. Das Verhältnis zur katholischen Kirche ist trotz aller Eskapaden Berlusconis eng, ohne dass Forza Italia als klerikal bezeichnet werden könnte. Als Fortsetzung der DC fungiert Berlusconis Partei lediglich im Süden.