Luther bezeichnete Aberglauben, die katholische Lehre und den Glauben von Türken und Juden regelmäßig als Träume. "Lauter Somnia", "bloße Träume" war eine seiner bevorzugten Verunglimpfungen, und er liebte es, sie zu entlarven. Dennoch war Luther fasziniert von Vorzeichen und bösen Omina, und obwohl er sich häufig darüber lustig machte, notierte er selbst besonders an wichtigen Wendepunkten der Reformation seine Träume. Diese Aufzeichnungen geben uns einen seltenen Einblick in Luthers tiefste Ängste und Gefühle. Im kollektiven Austausch nutzten Luther und seine Anhänger die Interpretation von Träumen, um Themen anzusprechen, die sie nicht explizit diskutieren wollten. Der Vortrag erkundet, wie Historiker diese Traumaufzeichnungen nutzen können, um die Menschen der damaligen Zeit in ihrer Subjektivität zu verstehen.
Lyndal Roper ist Regius-Professorin für Geschichte an der Universität Oxford und Fellow am Oriel College, Oxford. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist die deutsche Geistes- und Sozialgeschichte der Frühen Neuzeit. In ihren Publikationen befasst sie sich unter anderem mit der Geschichte der Hexenverfolgung und der Entwicklung der Geschlechterrollen. Im September 2016 erschien ihr Buch "Der Mensch Luther" (S. Fischer Verlag). Lyndal Roper ist Preisträgerin des Gerda-Henkel-Preises 2016 (Pressemeldung).
Einführung: Prof. Dr. Jörg Lauster (Evangelisch-Theologische Fakultät)