Jens Alvermann forscht im Rahmen seines Dissertationsprojekts an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln (im Fach Ur- und Frühgeschichte) zur Nutzung und Wirkung mobiler Medien im Museumsbereich. a.r.t.e.s. international förderte seine Forschungsreise an die University of Illinois in Chicago.
Mit der App nach Chicago. Eine Forschungsreise an die University of Illinois, USA
Reisebericht von Jens Alvermann, Doktorand an der Universität zu Köln
Aus der Luft betrachtet erscheint Chicago bei Nacht wie ein unendlicher Teppich aus flackernden Lichtern. Deutlich erkennbar sind die schachbrettartig angeordneten Straßen und die dunkle, lichterlose Kontur des Lake Michigan, an dem sich die Stadt mit seiner Skyline aufreiht. Ich sitze im Flugzeug zurück nach Deutschland und schaue aus dem Fenster, als die Stadt langsam unter mir verschwindet und habe Zeit, die letzten fünf Wochen Revue passieren zu lassen, die ich hier an der University of Illinois verbracht habe. Noch immer halte ich mein Smartphone in der Hand, das ich vor dem Start des Flugzeugs ausgeschaltet habe. Irgendwie komisch, denke ich mir, denn ohne diese Innovation der letzten Jahre wäre ich vermutlich nie für einen Forschungsaufenthalt hergeflogen.
Einladung an die UIC
Ein Smartphone hat heute fast jeder in der Tasche und für scheinbar alles gibt es eine App. Doch wie steht es um deren Verwendung im Museum? Mehr und mehr Museen setzen heute eine Vielzahl neuer Medien ein, um Besuchern einen zeitgemäße Vermittlung von Ausstellungsinhalten zu bieten und nutzen dabei vermehrt auch Smartphones und Tablets als Medium. Längst vorbei das angestaubte Image aneinandergereihter Objekte mit fast ausschließlich Texttafeln und Objekttäfelchen zur Erklärung. Für mein Dissertationsprojekt an der Universität zu Köln forsche ich am Neanderthal Museum im Bereich Museum Studies zur Nutzung und Wirkung mobiler Medien im Museumsbereich, um daraus Aussagen für die Besucherforschung gewinnen zu können.
Mit der Einladung an die University of Illinois in Chicago bekam ich die Möglichkeit, meiner Forschung eine internationale Dimension zu geben. Bestandteil des Forschungsaufenthaltes sollte neben der Durchführung eines gemeinsamen Forschungsprojekts vor Ort auch eine Vorlesung für Studierende an der UIC sein. Darüber hinaus bot sich mir mit dem Aufenthalt die einmalige Gelegenheit, internationale Forschungskontakte an der Universität und in Museen zu knüpfen.
Bevor ich mich auf die Reise machen konnte, lagen einige Monate vollgepackt mit Organisatorischem vor mir. So mussten vorab eine Unterkunft gefunden, Flüge gebucht, ein Visum beantragt und einen Arbeitsplan für die Zeit in Chicago erarbeitet werden. Besondere Unterstützung erhielt ich dabei von meinen Kolleginnen und Kollegen an der Universität zu Köln sowie dem International Office – in den USA durch das „Museum and Exhibition Studies Program“ an der UIC und von meiner Kollegin Nancy Harmon, die dort ebenfalls zum Thema Museums-Apps forscht. Vor allem aber wurde mein Forschungsaufenthalt durch die a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne ermöglicht, die mich mit Mitteln aus dem Programm „a.r.t.e.s. international – for all“ förderte.
Forschung in amerikanischen Museen
Anfang Oktober konnte es dann endlich losgehen. Nach meiner Ankunft in Chicago bezog ich mein Apartment im Stadtteil Lincoln Park, der sich, direkt am Lake Michigan gelegen, vor allem durch seine alten Backsteingebäude und Parks beschreiben lässt. Gleich um die Ecke befindet sich das „The Peggy Notebaert Nature Museum“, ein Naturkundemuseum, an dem ich zusammen mit meiner amerikanischen Kollegin Nancy Harmon ein gemeinsames Forschungsprojekt durchführte. Grundlage hierfür bot ein Spin-Off des medieninformatischen Teils meines Dissertationsprojekts am Neanderthal Museum, der die Entwicklung einer App für das Nature Museum in Chicago ermöglichte. Die App nutzt sogenannte Beacons, kleine Sender, die es Besuchern ermöglichen, an insgesamt sieben Stationen in der Ausstellung des Museums interaktiv zusätzliche Inhalte auf ihrem Smartphone angezeigt zu bekommen. Gleichzeitig sammelt die App Informationen für die Besucherforschung. Bis zum Sommer dieses Jahres sollen dann genug Daten vorhanden sein, um das Forschungsprojekt gemeinsam in einem Paper veröffentlichen und bei einer Konferenz in Graz dem internationalen Fachpublikum vorzustellen zu können. Mit ähnlichem Setting bietet die App „Neanderthal+“ im selben Zeitraum im Neanderthal Museum einen zusätzlichen Mehrwert in Form interaktiver, partizipativer und serviceorientierter Inhalte auf den Smartphones der Museumsbesucher. Das Forschungsprojekt in den Vereinigten Staaten ermöglicht damit, dem Dissertationsprojekt eine internationale Dimension geben und später eine Gegenüberstellung der Daten für die Besucherforschung aus einem amerikanischen mit denen aus einem hiesigen Museum durchführen zu können.
Auf dem Campus…
Gleich zu Beginn meines Aufenthalts erkundete ich den mitten in Chicago gelegenen Campus der UIC, ganz in der Nähe des „Loop“ mit seinen Wolkenkratzern und der berühmten Hochbahn. Dr. Therese Quinn, Direktorin des Museum and Exhibition Studies Program am College of Architecture, Design and the Arts hatte mich an die Universität eingeladen und stellte mir für die Zeit meines Forschungsaufenthaltes ein Büro zur Verfügung. Dort hatte ich die Möglichkeit, am Projekt für das Nature Museum zu arbeiten und mich auf meine Vorlesung vorzubereiten. Fast täglich pendelte ich zwischen meinem Arbeitsplatz an der UIC und dem Projektstandort. Schnell fühlte ich mich nicht mehr wie ein Tourist, sondern gewissermaßen wie einer der etwa 3 Millionen Einwohner Chicagos – nur eben auf Zeit.
Mit der Vorlesung zum Thema „Mobile Media in the Museum Space“ hatte ich die Gelegenheit, vor Studierenden mein Dissertationsprojekt vorzustellen und meine Arbeit an meinem zentralen Forschungsstandort, dem Neanderthal Museum bei Düsseldorf, zu beschreiben. Dabei konnte ich viel über seinen historischen Hintergrund erzählen und erläutern, wie das Forschungsprojekt in den museographischen Kontext des Museums eingebettet ist. Außerdem stellte ich zusammen mit meiner Kollegin das gemeinsame Forschungsprojekt am Nature Museum vor. An die Veranstaltung schloss sich dann ein Workshop an, in dem die Studenten unter Anleitung eigenständig eine Museums-App erarbeiten konnten.
…und darüber hinaus
Während meines Aufenthalts hatte ich zudem die Gelegenheit, weitere Museen Chicagos wie das Art Institute und das Museum of Science and Industry zu besuchen. Vor allem im Field Museum konnte ich mich mit dortigen Mobile Media-Angeboten intensiv beschäftigen und hatte darüber hinaus die einmalige Chance, von einer am Museum arbeitenden Kollegin durch dessen weltberühmte Sammlung geführt zu werden. Auch konnte ich mich mehrfach mit dem Team eines Startups auszutauschen, das im Bereich der App-Entwicklung für Chicagoer Museen tätig ist.
Aber auch abseits von Forschung und Lehre bot Chicago viele neue Eindrücke und zahlreiche neue Kontakte. So erinnere ich mich gerne an meinen morgendlichen Weg zu den Museen, den ich entlang Chicagos Skyline mit dem Fahrrad und fast immer bei strahlendem Sonnenschein zurücklegte. Auch bleibt mir der Blick über die Stadt bei Nacht von der Bar im obersten Stock des Hancock Towers genauso unvergessen wie meine erste Halloweenparty in den USA.
Als ich aus dem Fenster schaue, ist Chicago längst nicht mehr zu sehen. Aber neben den zahlreichen neuen Eindrücken und einer Menge Material für mein Dissertationsprojekt, nehme ich die Gewissheit mit zurück, eine gute Grundlage für eine zukünftige Zusammenarbeit gelegt zu haben. Ich freue mich schon darauf.