Inwiefern unterscheiden sich Sachbuch und historischer Roman - inwiefern Realität und Fiktion? Und kann nicht auch die wahre Geschichte spannend sein? Diese Frage steht zu Beginn des Buchprojektes von Ole Halding, denn der Hochschullehrer hat kürzlich die literarische Erzählung des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs veröffentlicht – und sich dabei auf historisches Quellenmaterial wie Tagebücher und Dokumente bezogen. Wir haben den Autor um ein Interview gebeten, um ihn zum Thema Public History im Allgemeinen aber vor allem dem Genre des Historischen Romans zu befragen: Wie unterscheidet sich seine Publikation vom historischen Roman? Wie wird mit der Subjektivität der Werke umgegangen? Warum ist es gerade der Erste Weltkrieg, der sich für eine derartige Darstellung eignet? Und welche Rolle spielen populäre Geschichtspräsentationen für die Geschichts- und Erinnerungskultur?
"Eine literarische Bearbeitung des Themas wagen"
L.I.S.A.: Herr Halding, Sie haben kürzlich ein Werk mit dem Titel „Die Eigenen täuschen. Szenen eines Kriegsausbruchs nach wahrer Geschichte“ publiziert. Wie kam die Idee, die Geschehnisse rund um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Erzählform zu veröffentlichen?
Halding: Das Interesse wuchs in mir durch die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Julikrise 1914. Als ich die Fachliteratur und die Quellen zum Thema studierte, habe ich gedacht, dass die Geschichte mindestens ebenso spannend ist wie ein ausgedachter Politthriller. Warum also nicht eine literarische Bearbeitung des Themas wagen?! Die Gründe für die wahrgenommene Spannung liegen meines Erachtens vor allem in den divergierenden politischen und persönlichen Interessen der damaligen Akteure, die selbst innerhalb ihrer Regierungen keinesfalls einheitlich und in sich konsistent agiert haben. Länderregierungen sind keine homogenen Blöcke, auch nicht im monarchisch verfassten Deutschen Kaiserreich. Meines Erachtens greift die Kriegsschulddebatte in den öffentlichen Diskussionen auch deshalb häufig zu kurz, weil die Interessengegensätze und verdeckten Absichten der handelnden Personen nicht genügend berücksichtigt werden.
Einen weiteren Anstoß zum Buchprojekt gaben mir die geschichtstheoretischen Diskussionen über die Grenzziehungen zwischen historischem und fiktionalem Erzählen. Ehrlich gesagt überzeugen mich die Argumente der besonders in Deutschland scharfen ‚Grenzwächter‘ weder in erkenntnis- noch in erzähltheoretischer Hinsicht.