Dr. Olaf Briese lehrt als Privatdozent an der Berliner Humboldt-Universität Kulturwissenschaften. In einem von der Gerda Henkel Stiftung Projekt hat er die Berliner Mauer unter ästhetischen Gesichtspunkten untersucht. Zu seinen Forschungsthemen gehören außerdem die Geschichte und Theorie von Dingen, das Mensch-Natur-Verhältnisse im 18. und 19. Jahrhundert sowie Religion, Wissenschaft und Philosophie des 19. Jahrhunderts.
L.I.S.A.: Ihr Buch „Steinzeit. Mauern in Berlin“ ist kürzlich erschienen, pünktlich zur 50. Wiederkehr des Baus der Berliner Mauer. Wie sind sie auf das Thema gekommen?
Dr. Briese: Das hatte gar nichts mit Berlin zu tun. Der Anlaß war eine Talsperre im Süden Deutschlands und ihre Staumauer. Da entdeckte ich die Potentiale und auch die kulturellen Obsessionen, die sich an so eine Staumauer binden. Der exzellente Mauerstandort Berlin bot sich dann an, mehr über Mauern an sich herauszubekommen.
L.I.S.A.: Was genau stellen Sie in Ihrem Buch dar?
Dr. Briese: Erstens geht es in diesem Buch um eine Geschichte von Mauern in Berlin, von Innen- und Außenmauern. Zweitens entwirft es – mit der gebotenen Zurückhaltung – theoretische Leitlinien, um Mauern in ihrer kulturellen Bedeutung zu verorten. Das weitet sich, zumindest in Ausblicken und Exkursen, zu einer Kulturgeschichte von Mauern überhaupt, beispielsweise in dem Kapitel, das „antike Beutekunst“ behandelt, also die Relikte babylonischer, hethitischer oder hellenistischer Mauern auf der Berliner Museumsinsel. Da stelle ich u.a. auch die für Altertumswissenschaftler relevante Frage nach der urbanen „Intensiv-Sesshaftigkeit“, die diese ersten Stadtmauern besiegeln sollten.
L.I.S.A.: Können Sie Stationen von Außenmauern in Berlin benennen?
Dr. Briese: Germanen umgrenzten ebenso wie Slawen ihre Siedlungsplätze; im Mittelalter umschloß eine geradezu lieblose Rumpel- und Lottermauer die Stadt, gefolgt von einer Festungsmauer, die nur wenige Jahrzehnte bestand. Ab 1705 wurde die Akzisemauer errichtet (eine Steuermauer), die bis 1865 die Stadt einkesselte. Und die Mauer, die ab 1961 errichtet wurde, dürfte Jedem in der Erinnerung sein.
L.I.S.A.: Sie schreiben, dass diese Akzisemauer auch als die erste Weglaufsperre für bzw. gegen die Berliner Bevölkerung anzusehen ist. Wie ist das zu verstehen?
Dr. Briese: Nach der Gründung des Königreichs Preußen 1701, vor allem ab 1713 mit dem neuen „Soldatenkönig“, hatte der absolutistische Staat einen enormen, geradezu kannibalischen Menschenhunger. Es war ein Schurkenstaat, der die eigenen Landeskinder, aber auch durchreisende landesfremde Personen, mittels Menschenraub gnadenlos in sein neues stehendes Heer presste. Diese Akzisemauer diente dann als Weglaufsperre für die in Berlin eingesperrten Soldaten. Das betraf bis 1733 aber sogar die normale Bevölkerung. Als normaler „Zivilist“ und Bürger ohne Genehmigung aus Berlin wegzuziehen, galt als „Desertion“, und darauf stand, zumindest nominell, die Todesstrafe.
Quelle: Briese privat
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"Dr. Briese: Diese Akzisemauer war eine Steuermauer, die die ganze Stadt erbarmungslos einschnürte, sie bestand bis 1865. Danach verschwand sie so rasant schnell wie später die „Berliner Mauer“ nach 1989. So ist letztlich gar nichts von ihr übrig. Der einzige Rest ist das damals bei diesem Abriss unter Denkmalschutz gestellte „Brandenburger Tor“."
In der Stresemannstraße südlich des Brandenburger Tors gibt es ein restauriertes Stück Akzisemauer, das - wenn ich mich recht entsinne - zur 750-Jahr-Feier hergerichtet wurde.
http://www.panoramio.com/photo/57188573
Grüße,
A. Knaak