Im jüngst begonnenen Lutherjahr erwarten uns deutschlandweit mehr als 70 Ausstellungen über die Reformation und ihren wichtigsten Protagonisten in Deutschland – eine davon hat am 15. Januar in der Augusteerhalle der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel eröffnet. Als erste einer Reihe von insgesamt drei Ausstellungen des gemeinsamen Forschungsverbunds des Deutschen Literaturarchivs Marbach, der Klassik Stiftung Weimar und der Herzog August Bibliothek (MWW) widmet sie sich der Figur Martin Luther als wichtige Gestalt der deutschen Erinnerungskultur. Verantwortlicher Kurator ist der MWW-Mitarbeiter und Historiker Dr. Hole Rößler. Im Rahmen der Ausstellung geht er der Geschichte wirkmächtiger Lutherbilder nach und zeigt ihre Verflechtungen mit der sozialen und politischen Lage, mit kulturellen Entwicklungen und Krisen der jeweiligen Epochen auf.
„Das Spektrum derartiger Ausstellungen reicht nur von Verklärung bis Verkitschung“
Hagedorn: Herr Rößler, was hat man sich unter dem klangvollen Titel Luthermania – Ansichten einer Kultfigur vorzustellen, und worin unterscheidet sich die Wolfenbütteler Ausstellung von ihrer nicht ganz geringen Konkurrenz?
Dr. Rößler: In der Tat, im Zusammenhang mit 2017 an Luther zu denken ist kein Ausweis einer besonderen Originalität. Gerade weil uns aber im kommenden Jahr viele Ausstellungen - aber auch viele Veranstaltungen, Vorträge, Tagungen, Berichterstattungen, Bücher, Artikel usw. - zu Luther ins Haus stehen, sollte man nicht wegsehen. Was ein bisschen zu befürchten ist, und das war sicher eine der wesentlichen Motivationen für unsere Ausstellung, ist, dass vielerorts eine rückhaltlose und unkritische Darstellung vom Typus "Leben und Werk" bevorzugt wird. Das Spektrum derartiger Ausstellungen reicht ja gewöhnlich nur von Verklärung bis Verkitschung. Das kann man dann persönlich ärgerlich oder langweilig finden. Als Historiker findet man es zumeist falsch, bedauerlich, empörend – es kann aber auch dazu anregen, Fragen zu stellen.