Der Titel des LaG-Magazins im April verweist bereits darauf, dass Gedenkstätten an ehemaligen Orten nationalsozialistischen Terrors ihre eigene(n) Geschichte(n) haben. Diese sind mit vielen Ambivalenzen verbunden: mit den Kämpfen ehemals Verfolgter um Anerkennung und Gedenken – häufig gegen Mehrheiten in den postnationalsozialistischen Gesellschaften, die zu vergessen suchten – ebenso wie mit erinnerungs- bzw. geschichtspolitischen Engagements von Aktivist*innen. Und sie sind in der Bundesrepublik erst spät verknüpft mit staatlichem Engagement, das bis heute nicht frei von geschichtspolitischen Instrumentalisierungen ist, während die DDR als „per se antifaschistischer Staat“ jede Verantwortung für die NS-Verbrechen ablehnte – diese Politik war nicht zwangsläufig von ehemaligen Tätern getragen, sondern von Menschen, die selbst als Sozialist*innen, Kommunist*innen oder als Jüdinnen*Juden verfolgt wurden. In Österreich wiederum bildete die Erzählung vermeintlich „das erste Opfer Hitlers“ gewesen zu sein, die Grundlage für Erinnerungsverweigerung und Anerkennung von eigener Schuld. Die Auseinandersetzung mit Gedenkstättengeschichte(n) ist deshalb nicht selbstbezüglich. Sie kann vielmehr den komplexen Fortgang von Geschichte aufzeigen und so ein gesellschaftliches Reflexionsangebot machen.
Gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert die KZ-Gedenkstätte Neuengamme die Tagung „Gedenkstättengeschichte(n). Gedenkstätten in postnationalsozialistischen Gesellschaften von 1945 bis heute – Bestandsaufnahmen und Perspektiven“, die vom 12. bis 14. Mai in Hamburg stattfindet. In diesem Zusammenhang erscheint auch dieses LaG-Magazin, das die Tagung vorbereiten und begleiten soll.
Frederik Schetter stellt den Zusammenhang von politischer Bildung und Gedenkstättengeschichte(n) her und diskutiert, wie Gedenkstättengeschichte zu einem Verständnis von Gewordensein von Geschichte in Bildungskontexten beitragen kann.
Cornelia Siebeck geht der Frage nach, ob es sich bei der Geschichte von Gedenkstätten an historischen Orten ehemaliger Konzentrationslager um eine abgeschlossene Nachgeschichte handelt. Schlaglichtartig zeigt sie die Veränderungen der Gedenkstätten auf.
In einem über E-Mails organisierten Gespräch haben sich Andrea Genest, Elke Gryglewski, Jonas Kühne, Norbert Reichling und Heidemarie Uhl über ihre Erfahrungen in Gedenkstätten und zur Relevanz von Gedenkstättengeschichte(n) ausgetauscht.
Im Besprechungsteil stellt Thomas Hirschlein mit dem Sammelband von Detlef Garbe „Die vergessenen KZs? Gedenkstätten für die Opfer des NS-Terrors in der Bundesrepublik“ aus dem Jahr 1983 eine frühe Grundlagenarbeit zu Gedenkstätten vor.
Pascal Beck bespricht ebenfalls ein für die Auseinandersetzung mit Geschichts- und Erinnerungspolitik klassisches Buch. Er hat sich mit Bernd Eichmanns „Versteinert, Verharmlost, Vergessen. KZ-Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland“ aus dem Jahr 1985 auseinandergesetzt.
Thomas Hirschlein und Ingolf Seidel stellen eine Auswahl von Informationen und Bildungsangeboten verschiedener Gedenkstätten zur Auseinandersetzung mit deren Geschichte nach 1945 vor.
Eine von kommentierte Cornelia Siebeck kommentierte Literaturliste ergänzt die beiden Rezensionen und gibt Tipps zum Weiterlesen.