Der Vortrag „Aus der Mitte der Gesellschaft. Antiziganistische Ausgrenzung und Gewalt in Deutschland seit der Vereinigung“ wurde von Markus End (Berlin) beigesteuert.
Zu Beginn wies End daraufhin, dass bei einigen in- wie ausländischen Gewaltakten der jüngeren Vergangenheit der antiziganistische Charakter weitgehend unbekannt sei. Etwa die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen (1992), wo, bevor sich die Gewalt vornehmlich gegen die vietnamesischen Vertragsarbeiter gerichtet habe, zunächst Sinti und Roma Opfer der dortigen Gewalt geworden seien. End fokussierte sich in seinem Vortrag auf die Bundesrepublik Deutschland zu Beginn der 1990er sowie ab Anfang der 2010er Jahre. Zeiträume, in denen, wie End nachwies, nicht nur eine scharfe Asyldebatte geführt, sondern ebenso Antiziganismus propagiert wurde.
Obgleich, wie der Beitragende festhielt, die Rolle des Antiziganismus in Asyl- und Migrationsdebatten wenig erforscht sei, ließe sich ein wiederkehrendes Moment ausmachen: Die Differenzierung von Migration in „erwünscht“ und „unerwünscht“. Diese Unterscheidung würde sodann antiziganistisch ethnisiert, Sinti und Roma also mit der Kategorie „unerwünscht“ verbunden. Beispielhaft könne hier etwa die Asyldebatte nach den Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen genannt werden: Politiker, sowohl von CDU wie SPD, hätten argumentiert, dass ökonomische Fluchtursachen bekämpft werden müssten, damit die „Unerwünschten“ nicht mehr kämen. Die „Unerwünschten“ seien dabei antiziganistisch konnotiert worden. Oftmals habe dies dem Zweck gedient, Asyl- und Migrationsgesetze zu verschärfen. Darüber hinaus hätten sich Politiker in der Debatte um die Geschehnisse in Rostock-Lichtenhagen auch der Argumentationsstrategie der Schuldumkehr bedient. So sei den Sinti und Roma die Schuld an der Gewalt zugeschoben worden, da sie die Ausschreitungen durch ihr (Fehl-)Verhalten erst hervorgerufen hätten. Ähnliches sei, so End, gut zwei Jahrzehnte später beim Konflikt in Duisburg Rheinhausen erneut zum Vorschein getreten, als nach Spannungen zwischen aus Rumänien stammenden Roma und deutschen Anwohnern Stimmen zu vernehmen gewesen seien, die die Roma für die aufkommende ausländerfeindliche Atmosphäre verantwortlich gemacht hätten. Beide dargestellten Beispiele zeigten, so End, wie die Ursache des Antiziganismus von den eigentlichen Verursachern auf die Sinti und Roma selbst übertragen worden sei. Durch dieses Narrativ, das Sinti und Roma als die eigentlichen „Störer“ des ‚sozialen Friedens‘ kennzeichne, ließen sich wiederum Einschränkungen in der Asyl- und Migrationsgesetzgebung legitimieren. Die Debatten Anfang der 1990er, sowie Anfang der 2010er Jahre, so das Fazit von End, verdeutlichten den großen Bedarf, antiziganistische Funktionsmuster kritisch zu analysieren um dadurch Besonderheiten „der Diskurse wie der gewalttätigen Praxen“ herauszustellen.