Als Geisteswissenschaftler oder Geisteswissenschaftlerin erinnert man sich vielleicht noch an die mitleidigen Blicke derer, die Jura oder Betriebswirtschaft studierten: "Ihr werdet später alle arbeitslos und falls nicht, dann schlecht bezahlt sein." Taxifahren galt als der auf Historiker, Ethnologinnen, Germanisten oder Sprachwissenschaftlerinnen wartende Beruf. Dass diese Vorstellung längst mit der Wirklichkeit kollidiert, haben bereits in der Vergangenheit mehrere Studien festgestellt. Nun gibt es zwei neue Studien zu den Berufschancen für Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler, die einen zusätzlichen Schwerpunkt auf die Digitalisierung legen. Wir haben der Leiterin einer der Studien, Christiane Konegen-Grenier vom Institut der Deutschen Wirtschaft, unsere Fragen gestellt.
"Chancen bei Unternehmen, die bereits Geisteswissenschaftler beschäftigen"
L.I.S.A.: Frau Konegen-Grenier, das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat in Kooperation mit dem Stifterverband sowie mit der Gerda Henkel Stiftung zwei neue Studien über die Berufs- und Beschäftigungschancen von Geisteswissenschaftlern und Geisteswissenschaftlerinnen insbesondere im Zuge der Digitalisierung erstellt. Bevor wir zu einigen Details kommen – was ist die Kernaussage der beiden Studien? Geht man mit der Wahl für ein geisteswissenschaftliches Studium ein unkalkulierbares persönliches Risiko ein?
Konegen-Grenier: Tatsächlich haben es Geisteswissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt schwerer als Ingenieure oder Ökonomen. Von einer weit verbreiteten Arbeitslosigkeit und einer mehrheitlich schlecht bezahlten Beschäftigung in wenig anspruchsvollen Berufen kann aber keine Rede sein, zumindest, was die in Vollzeit arbeitenden Geisteswissenschaftler betrifft. Die Analyse der Adäquanz der Beschäftigung nach persönlichen, studien- und berufsbezogenen Merkmalen zeigt vielmehr, dass Aussagen über die Gesamtheit der Geisteswissenschaftler einer Differenzierung bedürfen. So übertreffen beispielsweise die promovierten Geisteswissenschaftler hinsichtlich des Anspruchsniveaus der Tätigkeit, der Führungsverantwortung und des Gehalts den Durchschnitt der Akademiker. Was die Zukunftschancen vor dem Hintergrund der Digitalisierung betrifft, so gibt es durchaus Chancen, vor allem bei solchen Unternehmen, die bereits Geisteswissenschaftler beschäftigen und ihre Kompetenzen zu schätzen wissen. Wichtig ist allerdings, dass sich Geisteswissenschaftler Kenntnisse im Umgang mit digitalen Medien im betriebswirtschaftlichen Bereich aneignen.