Seit dem Tod Bin Ladens und dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs ist die dschihadistische Bewegung nicht nur jünger und stärker geworden, sondern sie hat sich „demokratisiert“. Zu den schätzungsweise 5.000 europäischen Auslandskämpfern, die sich in Syrien dschihadistischen Gruppen angeschlossen haben, gehören nicht mehr nur verschrobene Intellektuelle, sondern junge Europäer aus allen Schichten und Bevölkerungsgruppen. Fast 20 Prozent sind Konvertiten, die vom Christentum zum Islam – und häufig: direkt in den Salafismus – übergetreten sind. Fünfzehn Prozent sind Mädchen und Frauen. Statt Universitätsstudenten wie zu Attas Zeiten rekrutieren die Dschihadisten heutzutage viele Kleinkriminelle und Perspektivlose. Mehr denn je ist der Dschihadismus in Europa eine Jugend‐ und Gegenkultur. Und der Islamische Staat, mit all seiner Grausamkeit und Brutalität, ist ihr alles überragendes Symbol. Sowohl Ursache als auch Folge dieser Demokratisierung ist, dass die Anforderungen an potentielle Rekruten geringer geworden sind. Der Dschihadismus ist nach wie vor islamisch und folgt der salafistischen Glaubensdoktrin, doch die komplizierte Theologie, mit der noch al‐Qaida ihre Anschläge zu rechtfertigen suchte, wurde vom Islamischen Staat durch eine diffuse Protestideologie ersetzt, die extreme Gewalt verherrlicht und vor allem aus Slogans und theologischen Versatzstücken besteht. Wichtiger als theologische Begründungen sind dem Islamischen Staat und seinen Rekruten die Möglichkeit zur Selbstinszenierung und das Image der Stärke und Überlegenheit, das die Gruppe in ihren Videos pausenlos projiziert. Als Protestideologie und Gegenkultur richtet sich der Dschihadismus des Islamischen Staates deshalb nicht mehr nur an junge Männer (und Frauen), die sich für Religion interessieren, sondern an alle, die nach Struktur, Ordnung, klaren Regeln und einem radikalen Gegenentwurf zur westlichen oder europäischen Gesellschaft suchen. Die Konsequenzen dieses Wandels werden und noch mindestens eine Generation lang beschäftigen.
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