Vorbehalte gegen Comics, deren Handlung in der Zeit des Nationalsozialismus historisch verortet ist, gibt es schon lange. Bereits Ende der 1980er Jahre hatte der US-amerikanische Comic-Künstler Art Spiegelmann mit seinem sogenannten "Holocaust-Comic" Maus - Die Geschichte eines Überlebenden eine Debatte über Verharmlosung und Trivialisierung von NS-Verbrechen ausgelöst. Die zentrale Frage lautet: Darf man den Nationalsozialismus im Comic darstellen? Diese und andere Fragen haben wir der Comic-Zeichnerin Barbara Yelin gestellt, die jüngst den Comic-Roman Irmina vorgelegt hat, der auf dem zufälligen Fund des Tagebuchs ihrer Großmutter beruht. Der Historiker Prof. Dr. Alexander Korb von der University of Leicester hat ein Nachwort zu dem Comic verfasst. Auch er hat unsere Fragen beantwortet.
L.I.S.A.: Frau Yelin, Sie haben einen Comic, genauer: eine Graphic Novel, mit dem Titel "Irmina" verfasst und gezeichnet. Worum geht es darin?
Yelin: London, 1934: Die 19-jährige ehrgeizige Irmina aus Deutschland beginnt eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin, getrieben vom Wunsch nach Selbstbestimmung. Auf einer Party lernt sie Howard kennen, einen schwarzen Oxford-Studenten aus Barbados, der sie beeindruckt. Durch ihn beginnt sie, ihren Blick auf die Welt zu öffnen. Als sich jedoch die politischen Ereignisse der Vorkriegsjahre um sie zusammenziehen, kehrt sie 1936 nach Deutschland zurück. Ihr ursprüngliches Vorhaben, mit angespartem Geld nach London zurückzukehren, scheitert bald. In einer Kehrtwendung ihrer Pläne wendet Irmina sich in Berlin einem anderen Leben und Mann zu. Um den Preis ihrer Unabhängigkeit strebt sie gesellschaftlichen Aufstieg im nationalsozialistischen Deutschland an. Das Buch erzählt eine widersprüchliche Lebensgeschichte und fokussiert dabei im Kern auch auf Wegschauen und Vorteilsnahme im Nationalsozialismus.
L.I.S.A.: Wie kamen Sie auf die Idee zu dieser Graphic Novel? Was hat Sie dazu inspiriert? Worauf basiert die Story?
Yelin: Die Story basiert auf Fundstücken aus dem Nachlass meiner Großmutter, Briefen und Tagebüchern. Diese zwangen mich dazu, mir die Frage zu stellen, warum sich meine Großmutter in bestimmten Situationen so entschieden hat, wie sie es tat. Allerdings löste sich die Figur der Irmina davon. Mir ging es nicht mehr darum, eine Biographie zu verfassen, sondern um eine Charakterstudie in Form eines (Comic-) Romans, auch mit fiktiven Elementen. Die historischen Hintergründe habe ich aber so gut es ging recherchiert - in Zusammenarbeit mit Alexander.