Nazi-UFOs, Fliegende Untertassen und deutsche "Wunderwaffen": Populäre Mythen über vermeintliche Sci-Fi-Nazi-Technologie, Mixturen aus Geschichte und Science-Fiction, kursieren nicht erst seit der erfolgreichen "Iron Sky"-Reihe. Dem irdischen Ursprung dieser Mythen ist der Militärhistoriker Dr. Gerhard Wiechmann nachgegangen. Ein Gespräch über die Entstehung von "Fake News" im analogen Zeitalter.
L.I.S.A.: Herr Dr. Wiechmann, Sie sind von Haus aus Militärhistoriker, haben zur deutschen Kanonenbootpolitik promoviert und zu Formen asymmetrischer Kriegsführung habilitiert, sind Mitglied im Wissenschaftichen Beirat der Deutschen Gesellschaft für Schiffahrts- und Marinegeschichte. Was hat Sie dazu bewogen, sich mit dem Thema der „Nazi-UFOs“ zu beschäftigen und welche Vorüberlegungen gingen dem Projekt voraus?
Dr. Wiechmann: Das Buchprojekt entstand tatsächlich vor einem militärgeschichtlichen Hintergrund anlässlich eines Workshops zur populären Darstellung der Wehrmacht in München, der von Roman Töppel und Jens Westemeier ausgerichtet wurde. Die Ergebnisse wurden 2018 bei Schöningh in dem Sammelband »So war der deutsche Landser...« Das populäre Bild der Wehrmacht publiziert. Ich hatte in einem Vortrag zum Bild der Marinesoldaten in Heftromanreihen der 1950er Jahre einen Exkurs in die Science Fiction unternommen, da es u.a. durch den Illustrator Johnny Bruck (1921-1995) eine Querverbindung zwischen Kriegsromanheften und SF-Reihen wie „Terra. Utopische Romane“ und „Perry Rhodan“ gab. Bruck war übrigens selbst Mariner gewesen wie auch Gene Roddenberry (1921-1991), der „Erfinder“ der Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“. Außerdem weisen die klassische Space Opera und Seefahrtslegenden oder -romane, angefangen bei Homers „Odyssee“, deutliche Parallelen auf. Nicht von ungefähr wurden „Perry Rhodan“ und ähnliche Serien wie „ZBV“ (= „Zur besonderen Verwendung“) auch als „Landser im Orbit“ charakterisiert, von Robert A. Heinleins „Sternenkrieger“ („Starshiptrooper“) ganz zu schweigen. Heinlein (1907-1988) hatte bereits 1947 die „Mond-Nazis“ erfunden. Er war übrigens, wie auch Donald M. Keyhoe (1897-1988), einem der aktivsten Ufologen, ehemaliger Offizier der US-Marine.
Nach dem Vortrag sprach mich der Lektor des Schöningh-Verlags an, ob ich aufgrund meines Interesses für Science Fiction-Geschichte bereit wäre, mich eines ungewöhnlichen Themas anzunehmen, eben des „Nazi-UFOs“. Schöningh hatte 2015 den von Kirsten John Stucke und Daniela Siepe edierten Band „Mythos Wewelsburg. Fakten und Legenden“ publiziert, in dem kurz auf die „Reichsflugscheibe“ – ein anderer Begriff für das „Nazi-UFO“ – eingegangen wurde.
Ich sagte auch deshalb zu, weil ich bereits um 1972 als sehr jugendlicher Science Fiction-Fan in der Stadtbibliothek Oldenburg erstmals auf das sagenhafte Vehikel gestoßen war. Wie sich im Zuge meiner Recherchen herausstellte, hatte ich die Flugscheibenstory seinerzeit dem Buch des ZDF-Redakteurs Peter G. Westphals: „UFO UFO – Das Buch von den Fliegenden Untertassen“ (Stuttgart 1968) entnommen. Schon damals war mir die Geschichte allerdings nicht geheuer gewesen, und mein technisch versierter Großvater wiegelte auf Nachfrage denn auch sofort ab: Alles Unsinn: gibt’s nicht, gab’s nicht. Diese Erklärung schien mir schon deshalb plausibel, weil seit Kriegsende inzwischen über ein Vierteljahrhundert vergangen war und noch nie jemand nachweislich eine so genannte Flugscheibe oder einen Flugkreisel zum Fliegen gebracht hatte – es sei denn, als „Twirly“-Propellerspiel.