Am 20.Mai 2021 übernahm Russland den Vorsitz des Arktischen Rats von Island und sorgte mit der umgehenden Beanspruchung der Arktis als russisches Territorium für Furore. Das Eis um den Norpol ist also schon längst kein Ort der friedlichen Kooperation mehr, sondern Objekt widerstreitender Interessen. Dr. Michael Paul forscht seit Jahren als Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik zur maritimen Sicherheitspolitik insbesondere der Arktis und hat kürzlich sein neues Buch „Der Kampf um den Nordpol. Die Arktis, der Klimawandel und die Rivalität der Großmächte“ vorgelegt. Im Interview wollten wir unter anderem wissen, ob wir auf einen neuen – im wahrsten Sinne des Wortes – kalten Krieg zusteuern.
"Die Arktis ist ein faszinierender Lebensraum"
L.I.S.A.: Dr. Paul, in Ihrem aktuellen Buch „Der Kampf um den Nordpol“ kartieren sie die internationale Konfliktsituation in der Arktis. Bevor wir aber zu Details kommen, was fasziniert Sie so an der Region, was hat Sie dazu bewogen, sich der Arktis anzunehmen?
Dr. Paul: Die Arktis ist ein faszinierender Lebensraum und der Ort vieler komplexer Veränderungen, die mit dem Klimawandel einhergehen. Das ewige Eis schmilzt – das beunruhigt und fasziniert zugleich, bietet einerseits Chancen für innovative Technologien und eine „neue Arktis“, aber schafft andererseits viele Probleme. So leben drei von vier grönländischen Familien von der Jagd, über die Hälfte befürchten aber, dass der Klimawandel sie ihrer Existenzgrundlage berauben und auch die Fischerei beeinträchtigen wird. Manche Inuit trauern, weil sie den Verlust ihrer Heimat spüren. Die ökologischen Veränderungen haben so auch eine kulturelle Krise ausgelöst