Natascha Bagherpour steht wie viele andere frisch-promovierte Geisteswissenschaftler vor der Frage, wie es weitergehen soll. Eine wissenschaftliche bzw. akademische Laufbahn ist für Absolventen der Archäologie fast aussichtslos, dafür gibt es einfach zu viele Kandidaten für zu wenige Stellen. Für viele der Zeitpunkt, sich neu zu orientieren. Natascha Bagherpour, Archäologin und ehemalige Stipendiatin der Gerda Henkel Stiftung, hat sich nun selbständig gemacht und einen eigenen Weg eingeschlagen. Wir haben sie dazu befragt.
"Ich verbrachte mehrere Monate auf eigene Faust im Iran"
L.I.S.A.: Frau Bagherpour, Sie haben Archäologie studiert und inzwischen auch in diesem Fach promoviert. Was genau haben Sie erforscht?
Bagherpour: Dazu muss ich einwenig ausholen: Ich bin deutscher und iranischer Herkunft; in Deutschland geboren, aufgewachsen und ausgebildet worden. Gerne hätte ich meine orientalische Herkunft mit meinen Studien intensiver verknüpft, aber als ich anfing zu studieren, fanden keine deutsch-iranischen Forschungsprojekte mehr statt, was mit der Islamischen Revolution, dem Iran-Irak Krieg und der Außenpolitik zusammenhing. Erst mit dem Projekt “Ancient Mining and Metallurgy in West Central Iran” des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und des Deutschen Bergbau-Museums in Bochum wurden wieder bilaterale Grabungsprojekte initiiert und ich hatte die Gelegenheit schon als Studentin bei einer der ersten Grabungen des DAI in Arisman, nahe Natanz, dabei zu sein. Nachdem ich meinen Studienabschluß in der Tasche hatte, verbrachte ich mehrere Monate auf eigene Faust im Iran, um mein "Vaterland" besser kennen zu lernen. Zum Abschluss meines Aufenthaltes nahm ich auch an der Grabung des Deutschen Bergbau-Museums in Veshnaveh, im westlichen Zentraliran, teil. Der Ausgräber und mein späterer Doktorvater Prof. Thomas Stöllner bot mir an, über einen sensationellen Befund dieser Grabung zu promovieren.
Das Thema, das ich bearbeiten durfte, war zwar nicht immer einfach, aber eine große Chance für mich und ich habe mir damit einen großen Wunsch erfüllt: Zwischen den Jahren 2000 und 2005 wurde in Zusammenarbeit mit den iranischen Institutionen das vorgeschichtliche Kupferabbaugebiet von Veshnaveh untersucht. Es war eine große Überraschung als in der zweiten Kampagne, im Jahr 2001, in einer der Gruben für den Bergbau gänzlich untypische Funde entdeckt wurden. Zu Tage kamen Keramikgefäße, Holzobjekte, Textilfragmente, Nahrungsreste und Schmuckartefakte aus Glas, Halbedelstein, Gold und anderen Metallen. Offenbar wurde das ehemalige Bergwerk über einen Zeitraum von etwa 1400 Jahren (von. ca. 800 v. Chr. - in das 8. Jh. n. Chr.) als ein Naturheiligtum genutzt und die aufgefundenen Objekte dort deponiert. Dieser Befund ist innerhalb der iranischen Archäologie ein Ausnahmefall und wurde glücklicherweise durch diese Forschungsaktivitäten entdeckt. Es gibt derzeit keinen vergleichbaren bekannten Komplex in Iran. Besonders wichtig ist die Entdeckung auch, da es sich um stratifiziertes Fundmaterial vor allem aus der Zeit der parthischen und sasanidischen Dynastien handelt (3. Jh. v. Chr. - 7. Jh. n. Chr.). Diese Perioden wurden in der Archäologie bisher nur wenig erforscht. Vor allem unsere Kenntnis zur materiellen Kultur der Zeit weist noch viele Lücken auf, etwa was persönliche Schmuckobjekte, Tracht oder allgemein Kleingegenstände betrifft.
In meiner Dissertation arbeitete ich die Schmuckobjekte antiquarisch und stratigraphisch auf und ordnete sie - soweit möglich - zeitlich zu. Einen wichtigen Teil nahm dabei die religionsgeschichtliche Auswertung ein. Das Heiligtum von Veshnaveh stellt erstmals materielle Belege für bisher ungeklärte zoroastrische Überlieferungen bereit. Mit Hilfe einer systematischen Auswertung in einem Geoinformationssystem, konnte ich die komplexe Stratigraphie und die Deponierungspraxis analysieren. Dadurch und durch die antiquarische Auswertung war es möglich, Fragen nach der Geschlechterrolle und den Handlungsvorgängen im Heiligtum zu klären.
Ich denke, dass meine Arbeit für die Problematik der vorislamischen Religion in Iran, aber auch für das weltweit verbreitete Phänomen der Höhlenheiligtümer einen wichtigen Aspekt darstellt, und einen wichtigen Beitrag in der Parther- und Sasanidenforschung leisten kann.
Bild: Michael Herles