Das nationalsozialistische Regime versuchte von seinen Anfängen an den Sport mit dessen Strukturen, Vereinen und Funktionären nicht nur zu kontrollieren, sondern mit dem faschistischen System gleichzuschalten. So wurden unter anderem über sogenannte Arierparagrafen Sportler und Vereinsmitglieder jüdischer Herkunft ausgeschlossen, Sportvereinen dezidiert politische Funktionen zugewiesen und kleinere sportliche Vereinigungen zu Fusionen mit anderen oder größeren Vereinen gezwungen. Im Sammelband "Die 'Gleichschaltung' des Fußballsports im nationalsozialistischen Deutschland" widmen sich die Autoren der unterschiedlichen Gleichschaltungsmaßnahmen und fragen, inwiefern diese Maßnahmen gegriffen haben. Wir haben dem Herausgeber und Sporthistoriker Dr. Markwart Herzog sowohl zum Band insgesamt als auch zu seinen Aufsätzen über den Umgang des FC Bayern München mit dessen jüdischen Mitgliedern und über die Fusionsbemühungen von Vereinen in der Pfalz unsere Fragen gestellt.
"Wir wissen sehr wenig über interne Vorgänge in den Fußballvereinen"
L.I.S.A.: Herr Dr. Herzog, Sie haben in der Reihe "Irseer Dialoge" einen neuen Band zur Sportgeschichte herausgebracht: Die „Gleichschaltung“ des Fußballsports im nationalsozialistischen Deutschland. Was war der Anlass, dieses Buch zu veröffentlichen? Ist darüber nicht schon längst alles gesagt worden?
Dr. Herzog: Anlass für das Forschungsprojekt war eine Tagung, die – unterstützt von der DFB-Kulturstiftung – von der Schwabenakademie Irsee im Frühjahr 2013 veranstaltet wurde. Sporthistorische Tagungen haben in Irsee mittlerweile Tradition. Die erste fand im Jahr 2000 statt. Damals gab es generell so gut wie keine quellengestützten Forschungen über die Geschichte des Fußballsports in Deutschland; deshalb auch nicht über Fußball im „Dritten Reich“. Nicht zuletzt dank der Impulse, die von den Irseer Konferenzen zur Sportgeschichte ausgingen, hat sich das entscheidend geändert.
Über die großen Transformationen in der nationalen Sportpolitik sind wir zwar schon seit längerer Zeit durch die Forschungen des Nestors der Sportgeschichte des Nationalsozialismus, Hajo Bernett, und seines Schülers Hans-Joachim Teichler gut unterrichtet. Aber der Fußball war ein Nachzügler. Erst durch Nils Havemanns im Jahr 2005 erschienene, wegweisende Studie Fußball unterm Hakenkreuz verfügen wir über erste belastbare Erkenntnisse, zumindest über den DFB. Dennoch wissen wir bis heute nur sehr wenig über die internen Vorgänge in den einzelnen Fußballvereinen beim Übergang in die nationalsozialistische Diktatur. Deshalb betreten die meisten Beiträge in unserem Band echtes Neuland.