Laut einer US-Jugendstudie ist Bloggen schon seit 2010 out. Wer früher gebloggt habe, würde heute seine Aktivitäten und Meinungen lieber in Sozialen Netzwerken mitteilen. Ist Bloggen also schon Geschichte, bevor es so richtig damit angefangen hat? Der Historiker und überzeugte Blogger Sascha Foerster von der Max Weber Stiftung in Bonn sieht das anders. Er betreibt mehrere eigene Blogs und bemüht sich die Bonner Bloggerszene zu organisieren. Wie das genau aussieht, welche Bedeutung Blogs für seine wissenschaftliche Tätigkeit haben und wie er die Zukunft von Blogs insgesamt einschätzt, dazu haben wir ihm unsere Fragen gestellt.
"Das Bloggen ist ein Ausdruck von meinen vielfältigen digitalen Interessen"
L.I.S.A.: Herr Foerster, Sie sind Historiker und arbeiten zurzeit an Ihrer Dissertation über „Deutsche Nachkriegskinder 1952-1961“. Außerdem sind Sie ein leidenschaftlicher Blogger. Gibt es zwischen beiden Sphären Überschneidungen bzw. Verbindungen? Oder trennen Sie die Bereiche?
Foerster: Die Schnittstellen sind genau der Bereich, in denen ich mich am wohlsten fühle. Dort finde ich die interessantesten Fragen und kann kreative Wege zur Beantwortung der Fragen suchen. Zuerst konnte ich mich nicht zwischen Geschichte und Psychologie entscheiden, also studierte ich beides, einmal bis zum Magister und einmal bis zum Diplom. In beiden Endarbeiten nehme ich Ideen aus dem jeweils anderen Fach auf: meine Magisterarbeit schrieb ich zur Angst bei Ausbruch des Koreakriegs in der westdeutschen Bevölkerung und zu Konrad Adenauers Rolle in diesem Kontext. Ich beschäftigte mich als angehender Historiker mit Emotionen, die doch eher ein psychologisches Thema sind. Das spiegelt sich auch im Aufbau der Magisterarbeit, die eher einer psychologischen Arbeit mit getrenntem Methoden- und Ergebnisteil entspricht. Bei meiner Diplomarbeit in Psychologie wurde gesagt, dass ich sehr „geisteswissenschaftlich“ vorgegangen sei. Das verstand ich durchaus als Kompliment. Zum Beispiel habe ich auch die historischen, philosophischen und literaturwissenschaftlichen Dimensionen der Nachkriegskinder-Studie und der mit dieser Studie verbundenen Hypothesen und Fragestellungen dargestellt. In dieser Diplomarbeit untersuchte ich das Revitalisierungspotential für die Studie „Deutsche Nachkriegskinder 1952-1961“, also einer historischen Studie mit enormen Potential für eine psychologisch-medizinisch-soziologischen Folgestudien über die Lebensspanne dieser damaligen Kinder, die heute etwa 70 Jahre alt sind.
Die alte Studie ist aber auch für eine Vielzahl von Forschungsfragen aus anderen geistes- oder naturwissenschaftlichen Perspektiven hoch aufschlussreich. Als Historiker würden mich zum Beispiel die wissenschaftlichen Methoden interessieren, mit denen Kinder in den 50er Jahren untersucht und behandelt wurden, aber besonders der Wandel dieser Methoden. „Kindheit“ als historisches Thema wurde ja bereits vom Annales-Historiker Philipp Ariès untersucht. Diese französische Gedankenschule hat mich im Studium schon sehr fasziniert, die lange Dauer, die Sozialgeschichte, Geschichte aus ganz anderen Blickwinkeln zu schreiben. Dahinter steckt die Einstellungen auch bei der eigenen Forschungsmethode und den Fragestellungen immer wieder über den Tellerrand zu schauen, an den Grenzen des Bekannten zu forschen. Da ist es doch nur ein logischer Schritt in Zeiten des digitalen Wandels sich als Geisteswissenschaftler auch mit digitalen Themen im Forschungskontext zu beschäftigen. Open Science, das ist ein Stichwort, unter dem sich viele dieser neuen Ideen versammeln lassen. Dabei geht es um viel mehr als nur Open Access für Artikel und Monographien.
Das Bloggen ist ein Ausdruck von meinen vielfältigen digitalen Interessen, die sich nicht nur im digitalen Raum, sondern ganz oft auch in der lokalen persönlichen Vernetzung mit anderen Bloggern spiegelt. Aus der Schwäche mich nicht entscheiden zu können, wurde ein Konzept das ganz gut in das digitale Zeitalter passt und sich auf Schnittstellen, Überschneidungen, Vernetzungen, Plattformen und Verbindungen konzentriert. Und natürlich blogge und twittere ich zum Dissertationsprojekt: http://zakunibonn.hypotheses.org, https://twitter.com/nachkriegskind und http://nachkriegskinder-studie.de.