Wie wird Geschichte in Historienfilmen präsentiert? Welche Epochen erregen besondere Aufmerksamkeit? Unter anderem diesen Fragen widmet sich der Historiker und apl. Prof. Dr. Josef J. Schmid in seiner Publikationsreihe zur Weltgeschichte im Film, dessen erster Band kürzlich erschienen ist und die Geschichte Roms thematisiert. Josef J. Schmid weiß jedoch, dass Historienfilme nicht nur Einblicke in die behandelten Epochen geben, sondern ebenso in die Zeit, in denen die Historienfilme entstanden. Wir haben den Neuzeithistoriker um ein Interview gebeten und ihn zu seiner Publikation jedoch auch zum Genre des Historienfilms und der Entwicklung desselben gebeten.
"Abbild historischer Sichtweisen einer bestimmten Epoche"
L.I.S.A.: Herr Schmid, Sie sind Autor des Werkes „CineStoria. Weltgeschichte im Film“. Wie der Titel bereits andeutet, beschäftigen Sie sich darin mit dem Genre des Historienfilms. Im ersten Band, der im letzten Jahr erschienen ist, konzentrieren Sie sich dabei auf die Geschichte Roms – weitere Bände folgen. Zu Beginn meine Frage: Wie ist das Projekt entstanden? Und: gibt es einen Historienfilm, den Sie als besonders gelungen erachten?
apl. Prof. Schmid: Nun, Frau Wonke, das sind ja zwei ein wenig unterschiedliche Fragen, von denen die erste relativ leicht, die andere wohl letztlich nicht definitiv zu beantworten ist. Die Idee zu Band, respektive Buchreihe, entstand aus unserem Arbeitskreis Film & Geschichte heraus, der unter meiner Leitung seit nunmehr schon 14 Jahren am Historischen Seminar der Universität Mainz besteht. Der Fokus liegt dort auf Semesterschwerpunkten zu jeweils unterschiedlichen Aspekten des Beziehungsgeflechts «Film & Geschichte», begonnen hatten wir im Sommersemester 2006 mit „Der amerikanische Bürgerkrieg im Film“, ein eher klassisch-konventioneller Themenkreis. Mittlerweile standen aber auch konzeptionell-methodisch etwas ausgefallenere Sujets auf dem Programm, etwa „Remembering John Wayne – ein Schauspielerleben zwischen Geschichte und Zeitgeschichte“ (SoSe 2009), „Lachen erlaubt… – Historie im Film als Satire und Komödie“ (SoSe 2011), „Die Deutschen und ihr Krieg - Krieg und NS-Vergangenheit im Kino der fünfziger Jahre“ (WS 2014/15) oder „1939 – Historienfilme aus Hollywoods größtem Jahr“. Im Mittelpunkt stehen dabei stets Fragen nach Mythos, Mythenbildung und Identitätsstiftungen sowie nach den großen Aspekten des Historienfilms überhaupt: Wechselwirkungen von Kulturgeschichte, Ästhetik und Authentizität. Da lag es, nachdem der AK zunächst auf unverhofft große Resonanz bei den Studierenden gestoßen war, nahe, Ansätze, Ergebnisse und Ausblicke in eine systematische Form zu gießen. Die zunächst angedachte Mitarbeit von Studenten scheiterte an deren zeitlicher Überlastung, beziehungsweise auch an der personellen Fluktuation und Rotation über die Jahre hinweg. So entschloß ich mich zur Alleinautorenschaft. Nach Überlegungen zu Datenbanken und/oder Darlegung in lexikalischer Form entschied ich mich schließlich für das jetzt gewählte Format, nicht zuletzt deshalb, da es ein solches analytisch-darstellendes Repertorium in Fließtext und chronologischer Durchgängigkeit bislang – zumal auf dem deutschen Buchmarkt, aber eigentlich auch international – nicht gab. Ein letztes, aber nicht zu überschätzendes Atout bestand sodann in Finden von und Kooperation mit dem NAV-Verlag unter Leitung von Frau Dr. Nünnerich-Asmus, ohne deren Mitwirkung, Flexibilität und Geduld das Ganze wohl niemals hätte realisiert werden können.
Nun zu Ihrer zweiten Frage, auf die ich eigentlich mit einer Gegenfrage antworten müßte: Was ist ein gelungener Historienfilm? Wie schon aus dem oben Gesagten oder auch der Einleitung zu meinem Buch ersichtlich, geht es dort ja nicht nur um Aspekte wie etwa maximale Authentizität, möglichst dichte Quellenbelege oder gar «Nähe zur Forschung». Das wäre für Filmschaffende und wohl auch Filmschauende eher ein Albtraum. Ein Historienfilm ist kein Wissenschaftsbeitrag (so blieben in dem Buch ja alle Dokumentationen, eine Gattung, welche diesen Anspruch mitunter zumal unterschwellig erhebt, unberücksichtigt), sondern eher Abbild historischer Sichtweisen einer bestimmten Epoche, dies in möglichst idealer Verbindung von ästhetischen, konzeptionellen und natürlich auch historisch-rekonstruktiven Elementen.
In diesem Sinne verstanden, möchte ich für den zeitlichen Betreff des ersten Bandes drei Filme herausgreifen, die zu meinen Favoriten zählen. Zum einen Giovanni Pastrones Cabiria von 1914, die Mutter aller Monumentalfilme, in der Überschneidung von Regie, Skript (Gabriele d’Annunzio) und Expressivität der Darstellung späterhin kaum mehr erreicht wurde und hinsichtlich der historischen Gemengelage, etwa für den tatsächlichen Gegensatz Rom – Karthago einige verblüffende Einsichten bereithält. Natürlich handelt es sich hier um einen hochkarätigen Kunstfilm, der seine Herkunft etwa von der Operntradition der Zeit nicht verleugnen kann. Ganz am anderen Ende der Parametertabelle, Schwerpunkt Authentizität, befindet sich die 1977 entstandene BBC-Serie The Eagle of the Ninth, nach dem Erfolgsroman von Rosemary Sutcliff. Diese dürfte im Hinblick auf atmosphärische und detailgetreue Evokation historischer Welten (hier der provinzialrömische Alltag) kaum zu übertreffen sein. Schließlich sei noch eine Lanze für das lange verachtete Sandalenfilm-Genre gebrochen, mit Hinweis auf eine seiner besten Leistungen: Marino Girolamos L’ira di Achille [Der Zorn des Achilles] von 1962. Hier wurde Homer tatsächlich wörtlich genommen und die Geschichte des Trojanischen Krieges – wie im antiken Epos – ausschließlich im Fokus auf den thessalischen Helden erzählt. Gordon Mitchell gibt den Charakter in seiner ganzen Ambivalenz wieder, die Inszenierung ist seriös, aber unprätentiös. Abgesehen von Manfred Noas Stummfilmzweiteiler von 1924 sicher die beste Umsetzung des Stoffes.