Bernd Moeller, von 1964 bis 1999 Professor für Kirchengeschichte mit Schwerpunkt Reformationsgeschichte an der Universität Göttingen, stellte 1965 in seinem Aufsatz „Frömmigkeit in Deutschland um 1500“ erstmals pointiert die These auf, dass die deutsche Reformation nicht das Ergebnis einer kirchlichen und religiösen Krise war. Moeller verstand den von Wittenberg ausgehenden Impuls vielmehr auf dem Hintergrund einer um 1500 blühenden Frömmigkeitskultur. Die von Bernd Moellers Publikationen ausgehenden Impulse haben in den 70er und 80er Jahren besonders in Westdeutschland zahlreiche regionale und lokale Studien zur Frömmigkeit um 1500 angeregt. Dies wurde besonders in der großen Ausstellung aus Anlass des 500. Geburtstags Martin Luthers deutlich, die 1983 vom Germanischen Nationalmuseum in Zusammenarbeit mit dem Verein für Reformationsgeschichte veranstaltet wurde.
Hier wurde ein neues Bild vom politischen, sozialen und religiösen Kontext Umfeld der Reformation entworfen, in dem im Kontext der westdeutschen Forschungen die Frömmigkeit freilich vor allem im Zusammenhang der Lebenswelt der Reichsstädte exemplarisch abgehandelt wurde. Im Gegensatz zur Entwicklung der Forschung in der Bundesrepublik war die Diskussion in der DDR zu dieser Zeit vor allem von den sozialen und ökonomischen Implikationen der „Frühbürgerlichen Revolution“ bestimmt. Das Interesse an der Frömmigkeit vor und in der frühen Reformation war entsprechend gering. Daher knüpft das Projekt „Alltag und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation in Mitteldeutschland“ auch an die besonders mit dem Namen von Bernd Moeller verbundenen Ansätze an und versucht, die damals im mitteldeutschen Raum kaum beachteten Frömmigkeitszeugnisse sichtbar zu machen.
Es liegt daher nahe, Bernd Moeller als Zeitzeugen des forschungsgeschichtlichen Neuansatzes auch im Rahmen der geplanten Ausstellung zu Wort kommen zu lassen. Knappe Ausschnitte aus dem fast einstündigen Interview, das im September 2011 geführt wurde, fasst der vorliegende Film zusammen.