Die Ergänzung [sic!] weist ein Zitat als fehlerhaft aus und stellt klar: Die Autorin oder der Autor ist sich eines Mangels bewusst. Zugleich scheint er jedoch auf den Beleg angewiesen zu sein. [sic!] markiert hier den schmalen Grat zwischen guter wissenschaftlicher Praxis, unverschuldetem Irrtum und überkorrekter Absicherung gegenüber Fehlverhalten. [sic!] sichert Glaubwürdigkeit. Das gleichnamige Summer Institute Cologne gibt sich dagegen mit solchem Notbehelf nicht zufrieden, sondern will tiefer bohren. Besonders liebgewonnene Grundannahmen oder allzu bequeme Erklärungsmuster möchte die Summer School hinterfragen und so anleiten, das Selbstverständnis kunstwissenschaftlicher Disziplinen zu überdenken. Dafür erfordert [sic!] von den Teilnehmenden den Mut, sich aus der eigenen Komfortzone des Wissenschaftsalltags herauszuwagen. Dafür lohnt sich der Weg nach Köln-Porz.
Glaube, Irrglaube und Glaubenskrisen
[sic!] Summer Institute Cologne 2017 „Belief/Believe“
Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln 29. August – 09. September 2017
Seit 2013 findet das [sic!] Summer Institute Cologne alljährlich auf Schloss Wahn, dem Sitz der Theaterwissenschaftlichen Sammlung, statt. Die Leitung haben Prof. Dr. Peter W. Marx – Professor für Theater- und Medienwissenschaft an der Universität zu Köln – und seine Kollegin Prof. Dr. Tracy C. Davis von der Northwestern University in Evanston (USA) inne. In der Lehre werden sie von weiteren Vertreterinnen und Vertretern beider Universitäten unterstützt. Dazu stoßen um die 50 Masterstudierende und Promovierende aus aller Welt. Neben Deutschland und den USA kamen die Teilnehmenden von [sic!] 2017 aus Brasilien, Großbritannien, Indien, Israel, Spanien, Südafrika oder Südkorea. Als Klammer für eine derartig internationale Gruppe und für die vielfältigen Veranstaltungsformate fungiert jeweils eine thematische Setzung in – in diesem Jahr das Begriffspaar „Belief/Believe“. Im Spannungsfeld zwischen religiöser und profaner Begriffsdimension setzten wir uns mit Begriffen wie Glaube, Fiktion oder Wahrheit auseinander. Wir klärten den jeweiligen Status von Wissen und gingen den damit verbundenen Mechanismen, Konventionen und Techniken nach. Besonders im Umfeld der Künste konnten wir äußerst unterschiedliche Grammatiken und Formen der Neuaushandlung von „Belief/Believe“ beobachten.
Das Herzstück der Debatte bildeten die Seminare Sound Media, Theatre Historiography und Visual Narration, unterrichtet von jeweils einem Team aus Dozentinnen und Dozenten aus Köln und Evanston. Im Theatre Historiography-Seminar diskutierten wir im Hinblick darauf, dass Theater zwar eine Realität und Evidenz erzeugt, diese jedoch auf Praktiken der Illusion und Täuschung basieren, die Bedingungen von Aussagen über Theatergeschichte. Wir untersuchten belief complexes auf gemeinsame Formen hin und befragten diese auf ihr Potential als Ausgangspunkt von historischem Denken und Theatergeschichte. Hierbei stützten wir uns weniger auf herkömmliche Dramen- und Aufführungsanalysen, sondern nahmen mit Peter Pan, Mermaiding oder Bestattungsritualen unterschiedlichste kulturelle Phänomene in den Blick. Wir bestaunten christliche Kunst im Kölner Museum Schnütgen und besuchten die romanische Kirche St. Maria im Kapitol. In Aachen begaben wir uns auf die Spuren von Karl dem Großen und der Stadtgeschichte Aachens. Im Rahmen einer kleinen Arbeitsgruppe hatte ich beispielsweise die Möglichkeit, belief complexes der Nachkriegszeit und ihren Bezug zu Vergangenheit und Mythenbildung zu analysieren. Wir stellten dazu die Erneuerung kriegszerstörter Glasmalereien in Kirchen der Einführung des Karlspreises zu Aachen gegenüber. Darüber hinaus bezogen wir Archivmaterial zu Antigone-Bühnenbilder nach 1945 in unsere Überlegungen mit ein.
Die individuellen Forschungsprojekte der Teilnehmenden standen vor allem bei den Poster Sessions im Mittelpunkt. Im Gegensatz zu formellen Konferenzvorträgen erforderte es diese Präsentationsform, unsere zentralen Fragen und Thesen möglichst pointiert zu vermitteln und mit unseren Zuhörerinnen und Zuhörern direkt zu interagieren. Verteilt über die Räumlichkeiten von Schloss Wahn ergaben sich dadurch immer wieder vertiefte Diskussionen und gegenseitige Anregungen. Als ebenso vielseitig und bereichernd erwiesen sich die weiteren Programmpunkte, wie zum Beispiel das Format Wundertüte: Hier präsentierten die Lehrenden sonderbare Objekte aus der Theaterwissenschaftlichen Sammlung und ließen uns über Funktion und Kontext rätseln. Im Konzert Surreal Sounds im Musiksaal der Universität zu Köln erlebten wir elektroakustische Musik von den 1940er Jahren bis in die Gegenwart. Im Rahmen der Faculty Toolbox-Workshops vermittelten die Lehrenden Fertigkeiten und Wissen, das sie selbst weniger durch universitäre Ausbildung, sondern vielmehr durch ihre langjährige Erfahrung erworben hatten. Für die Nachhaltigkeit von [sic!] standen die Alumni Lectures: Sofie Taubert führte uns durch die von ihr mitkuratierte Ausstellung Im Spielrausch. Von Königinnen, Pixelmonstern und Drachentötern im Museum für Angewandte Kunst Köln und gab Einblicke in die Konzeption. Jonas Tinius beleuchtete in seinem Vortrag das Verhältnis von Anthropologie und Kunstpraxis am Beispiel der diesjährige Documenta 14, wohin uns auch die Abschlussexkursion führte. Das soziale Rahmenprogramm machte die internationalen Gäste mit hiesigen Traditionen wie Kölschem Brauhaus oder Kegeln bekannt, während sich die Vielfalt der Veedel über eine Büdchen-Tour erschloss.
Der durch [sic!] 2017 abverlangte Schritt aus der eigenen Komfortzone heraus rief keine schnellen Lösungen oder Gewissheiten hervor. Stattdessen haben sich für uns Teilnehmende durch die unkonventionellen Lernformen weiterführende Fragen und ein deutlich vielschichtigerer Blick auf die eigene Forschung eingestellt. Dabei konnten wir außerdem ungezwungen Kontakte knüpfen und so unser eigenes Netzwerk international erweitern. Auch im kommenden Jahr (27. August – 07. September 2018) werden wieder zahlreiche junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Schloss Wahn beleben und zusammen nachdenken, dann über „Construction Sites“.
Thomas Kuchlbauer (a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities)