Bereits kurz nach der Wiedervereinigung wurde die DDR zu einem beliebten Thema des deutschen Spielfilms. Seien es die von "Ostalgie" geprägten Komödien der 1990er Jahre oder international ausgezeichnete Filme wie Das Leben der Anderen (2006) – das Kino lässt die DDR regelmäßg wieder auferstehen. Spiefilme und Fernsehproduktionen sind damit ein wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur und beeinflussen maßgeblich das gesellschaftliche Bild der DDR. Als Teil dieser Erinnerungskultur geben Sie auch wichtige Rückschlüsse über die Herausbildung einer neuen nationalen Identität nach der Wiedervereinigung. Wie wurde die DDR zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Effekt dargestellt? Dr. Gerhard Lüdeker hat sich mit der Erinnerung an die DDR im deutschen Spielfilm nach der Wende beschäftigt. Wir haben ihn zum Verhältnis von Erinnerungskultur, Film und Identität befragt.
"Bei der letzen Generation der DEFA-Regisseure herrschte Skeptizismus"
L.I.S.A.: Herr Dr. Lüdeker, Sie beschäftigen sich mit der Erinnerung an die DDR im deutschen Spielfilm nach 1989. Sie beziehen sich dabei auch auf eine Reihe von Filmen, die heute kaum bekannt sind, jedoch erstaunliche Zeitdokumente darstellen: Filme von DDR-Regisseuren, die unmittelbar um 1990 entstanden sind. Was ist charakteristisch an diesen Filmen? Wie wurde die Wende aus derart zeitnaher Perspektive wahrgenommen?
Dr. Lüdeker: Diese Filme wurden von der letzten Generation der DEFA-Regisseure hergestellt. Einer Generation von Regisseuren, die zwar kritisch gegenüber dem staatssozialistischen System in der DDR eingestellt war, aber den Staat nicht aufheben wollte, sondern an die Möglichkeit eines idealen Sozialismus mit menschlichem Antlitz glaubte. Dementsprechend sind die Filme stark politisch und rechnen mit den politischen und sozialen Zuständen, dem Gemisch aus Parteiapparat und Stasi-Überwachung ab. Trotzdem findet sich kein positiver Ausblick auf die Wiedervereinigung, sondern vielmehr Skeptizismus. Denn die BRD erscheint als kapitalistisches System, das die DDR vereinnahmen will. Das ist für Ur-Sozialisten, die an die Gleichheit aller Menschen und gemeinsames Blumenpflücken glauben, keine Alternative. Der Grundton der Filme ist melancholisch. Es wird verpassten Chancen zur Erneuerung der DDR hinterhergetrauert. Der Glaube an blühende Wiesen in der Zukunft findet sich in diesen Filmen natürlich auch nicht.
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Kommentar
Ich finde das wirklich ärgerlich. Es wird ein Klischee beklagt - und das durch ein Klischee. Der undankbare, rückwärts gewandte Ossi, der sein schweres Leiden in der DDR vergessen hat. Das Fass "Leben-in-der-DDR" mache ich hier besser gar nicht erst auf. nur so viel: als Jemand der sich die DDR nicht zurück wünscht muß ich gestehen, meine 14 Jahre DDR nichts davon mitbekommen zu haben, daß ich die ganze Zeit von der Stasi bespitzelt und unterdrückt wurde.
Aber darum geht es mir gerade gar nicht. Es ist die Vorstellung im Westen Deutschlands, die früheren DDR-Bürger seien undankbar, nostalgisch und geschichtsvergessen. Sicher - manche sind oder waren das auch. Und sicher trifft auch vor allem zu, daß oftmals Nostalgie herein spielt. Nostalgie ist aber immer verklärend. Und es gibt schlichtweg kulturelle und soziologische Entwicklungen, die in 40 Jahren DDR natürlich passierten. Und das können sie viele Westdeutsche nicht verstehen. Dabei lebt man kulturelle Eigenheiten gerade dort doch an vielen Stellen ganz besonders aus, nennt es aber eben Folklore. Bayern ohne Dirndl und Krachlederne? Rheinland ohne Karneval? Schwarzwald ohne Kuckucksuhren? Unvorstellbar. Und niemand würde das verlangen oder aber emotionale Bindungen zum Vorwurf machen. Warum wird das ehemaligen DDR-Bürgern immer wieder vorgeworfen? Weil man sich das nicht erklären konnte, hat man das ganze im Westen zur Ostalgie erklärt und in dümmliche Shows gesperrt. Dabei wurde selten versucht, es zu verstehen. Es wird immer eine falsche Erinnerung reklamiert.
Ja, klar. Erinnerung verklärt häufig. Aber eben jene Nostalgie gibt es im Westen genauso, man braucht sich nur die Gründungsmythen aus der Zeit, in der "alles Besser" war ansehen. Das "Wunder von Bern" - in einem nostalgischen Film verklärend aufgearbeitet, aber bundesdeutsche Geschichte verklären scheint legitimer zu sein. Oder die 68-er, zu denen in der Rückschau viel mehr gehört hatten, als während der Zeit. Wie war es denn in der DDR? Ja, man hatte - trotz der ach so allgegenwärtigen Stasi - ein ganz anderes, engeres Verhältnis zwischen den Menschen, bis hinein in die Familien. Und natürlich hatte das, wie sich nach der Wende raus stellte, ganz praktische Gründe. Nein, die Ostdeutschen waren nicht besser. Mussten sich aber ganz anders miteinander engagieren. Wenn die keine Handwerker auf normalem Weg bekamst, musstest du das eben über Umwege arrangieren. Ebenso etwa beim Beschaffen von Baumaterial und so weiter. Das brachte ein ganz gewisses Gefüge mit sich. Und (fast) alle wußten, daß sie in diesem Mangel einen gewissen Wert besaßen. Das fühlte sich warm und weich an. Trotz der allgegenwärtigen Stasi, trotz der beiden widerstreitenden Meinungen (eine private und eine öffentliche) und obwohl es nicht jeden Tag Bananen gab und Milch an späten Nachmittag im Konsum schon alle sein konnte. Das brach 1990 weg. Das ganze System, in dem man zum Teil Jahrzehnte lebte war weg. Ich frage nun: mit welchem Recht kritisiert oder beklagt man, wenn Ostdeutsche sich wehmütig an eine vergangene Zeit erinnern? Zumal der Vorwurf, daß mit dieser Nostalgie ein Rücksehnen in die DDR verbunden sei, in den meisten Fällen nach meiner Erkenntnis nichts reales verbunden ist.
Oft wird vergessen, daß man in der DDR genau wie auch in der BRD an einem normalen 24-Stunden-Tag in einer 7-Tage-Woche ein ganz normales Leben geführt hat. Es schien die Sonne, es regnete. Menschen haben sich verliebt und entliebt. Ein ganz normales Leben. Die DDR bestand nicht aus Widerstand, sondern aus Anpassung. Wie im übrigen die BRD auch - nur die Ausgangslagen waren unterschiedlich.
Vielleicht ist es kein Wunder, daß der der realen DDR wohl am nächsten kommende Film eine britische Komödie ist: "Mrs. Ratcliffe's Revolution".