Solche Vorkommnisse zeigen deutlich, dass Bilder in sehr viel höherem Maße als Texte als objektive Beweise wahrgenommen, ja teilweise sogar eingefordert werden. Das bedeutet, dass in der heutigen, visuell geprägten Zeit, die Glaubwürdigkeit eines Ereignisses oft nur noch mit Hilfe der „Absicherung“ und konkreten Veranschaulichung durch ein Bild angemessen belegbar erscheint. Eine Erklärung liegt in der Wirkungsweise von Bildern. Bilder wirken simultan, unmittelbar und direkt, also im Augenblick auf den Betrachter, ihnen wird dadurch eine höhere Glaubwürdigkeit beigemessen als dem gesprochenen Wort. Der Betrachter möchte die ‚Realität’ sehen. Ereignisse und Konflikte, die nicht durch Bilder belegbar sind, haben in den Köpfen vieler nicht wirklich stattgefunden.
Diese Entwicklung ist nicht ungefährlich. Fotografien können ebenso wie Texte manipuliert werden, nicht erst seit dem Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung. Auch schon unter Stalin wurden Retuschierungen an Fotos vorgenommen, beispielsweise um mit der Zeit unliebsam gewordene Weggefährten wie Trotzki aus Fotografien zu retuschieren und so nachhaltig aus dem visuellen Gedächtnis der Zeitgenossen zu entfernen.
Eva Kammann: Mit dem Irakkrieg kam der Begriff des „embedded journalism“ auf. Was genau ist darunter zu verstehen, und was sollte mit diesem System bezweckt werden? Wie wurde diese Art der Kriegsberichterstattung von der Öffentlichkeit rezipiert?
Dr. Rath: „Embedded journalism“ bezeichnet zunächst die Einbettung von ausgewählten Journalisten in verschiedene Truppenverbände der Armee. Diese Journalisten konnten so mit den US-amerikanischen und britischen Truppen an vorderster Front den Irakkrieg miterleben. Dieses Verfahren wurde vom Pentagon entwickelt, nachdem im ersten Golfkrieg 1991 noch das strenge Poolprinzip angewandt worden war. Bei diesem System wurden nur einige handverlesene Journalisten mit an die Front genommen und konnten zu festgelegten Zeiten und an bestimmten Orten Material sammeln, um es später mit den zurückgebliebenen Journalisten zu teilen. Durch die neuen technischen Möglichkeiten, die Allgegenwärtigkeit von Digitalkameras (auch unter den Soldaten) und die Möglichkeit der sekundenschnellen Übertragung von Bildern und Nachrichten war das Bildangebot im Irakkrieg des Jahres 2003 nicht mehr zu kontrollieren. Das Pentagon versuchte daher, die Journalisten möglichst eng an sich zu binden, um so zumindest einen gewissen Einfluss auf die Berichterstattung zu wahren. Der Vorteil liegt auf der Hand: Einerseits bekamen die Journalisten den Krieg an der Front direkt und unmittelbar mit, andererseits wurden sie durch ihr Leben mit der Truppe zu einem gewissen Grad auch Teil der Truppe und sahen den Krieg aus deren Perspektive. Zudem gab das Pentagon Richtlinien, sogenannte „ground rules“ vor, die von den Journalisten eingehalten werden mussten. U.a. beinhalteten diese Regeln, dass keine Fotos von getöteten US-Soldaten oder auch in US-Flaggen gehüllten Särgen gemacht werden durften. Die „embeds“ waren wesentlich besser geschützt als diejenigen Journalisten, die beschlossen hatten, auf eigene Faust in den Irak zu gehen und ohne militärischen Schutz unabhängig von dort zu berichten. (In der ersten Woche des Irakkriegs wurden vier Journalisten durch Kriegshandlungen getötet, keiner von ihnen war „embedded“.)
Bemängelt wird von vielen Medienkritikern die von ihnen vermutete Voreingenommenheit der eingebetteten Journalisten, sowohl der schreibenden, als auch der Fotojournalisten. Die geringe Distanz zu den Truppen, so die Kritik, verhindere eine objektive Sicht auf den Konflikt und lasse vielmehr eine vom Pentagon gewünschte, US-freundliche Berichterstattung erwarten. Der unabhängig arbeitende Fotograf Albert Facelly erklärte im Interview, dass die Einbettung sehr wohl einen Effekt auf die Arbeit der Fotografen habe: „it necessarily influences the work, less freedom and more proximity.“ (Interview JR mit Albert Facelly, 23.5.2011). Viele eingebettete Journalisten wehrten sich gegen diesen Vorwurf. Der bei US-Marine-Truppen eingebettete Fotograf Hayne Palmour zeigt sich verärgert über die Vorwürfe, vom Militär kontrolliert zu sein, und verweist auf die Vorteile des Embeddings: „Twelve years ago journalists were not able to witness the Gulf War [1991] from the perspective of the front line troops – and stories went untold. Two months ago they were, and the historic record of the war in Iraq is immense.“ (Saba 2003: o. S.)
Die neue Strategie des Embeddings hat Vor- und Nachteile. Durch die Integration in den Truppen konnten die eingebetteten Journalisten und Fotografen das Geschehen aus nächster Nähe mitverfolgen und so von der vordersten Front berichten, andererseits waren die unabhängig arbeitenden Journalisten freier in der Auswahl ihrer Standorte und der Berichte und Bilder, die sie in die Heimat sandten.
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