Die wirkungsmächtigste Bestimmung der Klassik und zugleich ein zentrales Element des Klassizismus liegen in der Orientierung auf Form und Gestalt. Farbe scheint in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle zu spielen, in klassizistischen Programmen wird sie mitunter auch als Opposition zum Ideal reiner Marmorweiße abgelehnt. Diesen Positionen stehen zwei signifikante Beobachtungen gegenüber: Einerseits wandelt sich um 1800 das Bild der Antike gerade im Hinblick auf chromatische Fragen, andererseits affizieren Transformationen von Farbwissen und Farbauffassung die künstlerische Praxis und die Lebenswelt in vielfältiger Weise. Die epochemachenden Ausgrabungen von Wandmalereien in Herculaneum und Pompeji fördern eine leuchtend bunte Antike zutage, die eine Herausforderung sowohl für die klassizistische Kunsttheorie als auch für die zeitgenössische Malerei, Skulptur, Architektur und Gebrauchskunst darstellt. Mit Goethes Farbenlehre wiederum liegt ein besonders spektakulärer von mehreren zeitgleichen Versuchen vor, physikalische, physiologische, chemische und ästhetische Aspekte der Farbforschung in einen umfassenden Entwurf zu integrieren. Um 1800 ist Farbe mithin ein höchst virulentes Thema, das in der Interaktion unterschiedlichster Wissensgebiete und Praxisfelder verhandelt wird. Allen gemeinsam ist die Farbensprache, deren Gebrauch in Philologie und Philosophie reflektiert und deren Kodifizierung von Theoretikern und Praktikern der Zeit versucht wird.
Die Jahrestagung möchte die vielfältige Bedeutung der Farbe als Material und Diskurselement, als ästhetischen Wert und wissenschaftlichen Gegenstand für den Klassizismus um 1800 in den Blick nehmen. Ziel ist es, Reichtum und sinnliche Vitalität eines bunten Klassizismus wieder erkennbar werden zu lassen.
Farben der Klassik
03/29/2012 – 03/31/2012 | Weimar
(c) Klassik Stiftung Weimar