Pünktlich zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs hat in Deutschland eine neue Diskussion über Ursachen und Gründe der Ereignisse von 1914 bis 1918 eingesetzt, wie es sie seit der Fischer-Kontrovers vor nun fast 50 Jahren nicht mehr gegeben hat. Auslöser ist das neue Buch des australischen Historikers Prof. Dr. Christoph Clark von der University of Cambridge "Die Schlafwandler", das zu einer Neuinterpretation vor allem der Kriegsschuldfrage eingeladen hat. Im Verlauf des Jahres 2013 sind darüber hinaus zum Ersten Weltkrieg zahlreiche weitere Bücher erschienen, viele Ausstellungen eröffnet und mehrere Vortragsreihen organisiert worden. In diesem Dossier sammeln wir Beiträge zum Ersten Weltkrieg, verbunden mit dem Anspruch, die unterschiedlichen Formen der aktuellen Auseinandersetzungen abzubilden.
Kommentar
Es scheint wirklich so zu sein, dass Clarks „Schlafwandler“ ein Feuer entzündet hat, hauptsächlich bei der Diskussion um die Frage, wer die „Schuld“ am Ersten Weltkrieg trug. Wer sich aber in den letzten Jahren über die geschichtlichen Zusammenhänge anhand der bereits zahlreich vorhandenen Geschichts-Literatur informiert hatte und gleichzeitig seinen eigenen Verstand einsetzte, ahnte schon, dass es nicht Deutschland allein sein konnte, das die Hauptschuld am Krieg zu verantworten hatte.
Ich freue mich und ich danke der LISA-Redaktion dafür, dass sie sich dem Thema so ausführlich und differenziert angenommen hat. Hochrangige Beiträge und Interviews auf höchstem Niveau informieren sowohl den Wissenschaftler als auch den interessierten Laien. Ich finde das Dossier „1914-2014“ einen wichtigen und rechtzeitigen Beitrag zur Diskussion und Bildung zum Thema, dass nächstes Jahr seinen „100. Jahrestag feiert“.
Doch bei aller theoretisch-wissenschaftlicher Betrachtung möchte ich eine bescheidene, persönliche Anregung geben: Jeder der sich mit dem Ersten Weltkrieg befasst, sollte nicht versäumen, die ehemaligen Schlachtfelder und Friedhöfe im Westen Europas zu besuchen. Ob in Verdun oder an der Somme, ob in der Champagne oder am „Chemin des Dames“, inmitten der endlosen Gräberreihen der Gefallenen tritt die Frage der „Schuld“ in den Hintergrund. Wenn man die Enge der Festungsanlagen von Douaumont und Vaux betritt und sich mit den Schicksalen der Soldaten beschäftigt, scheint die „große Politik“ nicht mehr wichtig zu sein.
1914 wurde die Kathedrale von Reims durch tagelanges, deutsches Artilleriefeuer stark zerstört, ganze Dörfer an der Front in Frankreich sind während des Krieges völlig verschwunden. Allein beim Kampf um den „Hartmannsweilerkopf“ in den Vogesen fielen über 30.000 Soldaten zwischen 1914 bis 1918. Die Bevölkerung im Elsass hatte man nie gefragt, ob sie „deutsch“ oder „französisch“ sein wollten. Mehrmals musste sie ihre Nationalität wechseln. Ihre Heimat wurde zum Spielball und Zankapfel von Politik und Militär.
Letzte Woche besuchten wir die weihnachtlich und festlich geschmückten Städte, „grenzenlos“ beiderseits des Oberrheins. Unterwegs fielen uns öfters Schulklassen auf, die mit ihren Lehrern die jeweiligen Nachbarländer besuchten. Fröhliche, unbeschwerte französische und deutsche Kinder voller Lebensfreude, in Freiburg und in Straßburg. Wenn wir an die kriegerische, europäische Geschichte zurück denken, erscheint es wie ein Wunder!
Der LISA-Redaktion und allen Leserinnen und Lesern eine friedliches Weihnachtsfest und für 2014 viel Glück, Gesundheit und Erfolg!
Hans Günter Thorwarth
Kommentar
Nur die sozial intelligentesten Tiere sind zu kognitiven Höchstleistungen fähig wie Empathie, Theory of Mind, Liebe, Mobbing, Eifersucht, Neid, Hass, etc.
Kennzeichnend für den social bias sind unhinterfragte Voraussetzungen in Aussagen wie "unser Volk", "wir Juden", "die Deutschen wollen...", "Rothemden vs. Gelbhemden", "FC-Bayern Fans", etc. etc.
Dieser social bias dürfte spätestens mit der Sesshaftwerdung genetisch verankert worden sein (vgl. Blut-und-Boden-Ideologien, Nationalismus, Chauvinismus, Kriege).
Auch das heutige (2014) mediale Jubelgeschrei (!) anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums (!) des Ausbruchs des 1. Weltkrieges dürfte ein Anzeichen für einen zunehmenden "deutschen" bzw. "gesamteuropäischen" social bias sein.
Literatur
HERRMANN, Esther et al. (2007): Humans Have Evolved Specialized Skills of Social Cognition: The Cultural Intelligence Hypothesis. Science 317 : 1360-6
RICHERSON, PJ, BOYD, R. (1998): The evolution of human ultrasociality. In: Ethnic conflict and indoctrination (edited by I. Eibl-Eibesfeldt & F.K. Salter), pp. 71-95, Oxford.
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