Nun ist er also vorbei, der Deutsche Kunsthistorikertag 2019. Die großartige Organisation, das extrem vielseitige Programm und die diversen begleitenden (Abend-) Veranstaltungen sprechen für eine aufwendige und einfallsreiche Arbeit der Veranstaltenden.
Dafür möchte ich mich zunächst einmal herzlich bedanken!
Dank gilt aber auch der Gerda-Henkel-Stiftung, die es mir durch das Reisestipendium überhaupt erst ermöglichte, an diesen lehrreichen und spannenden Tagen teilhaben zu dürfen.
Jetzt, hier am Schreibtisch sitzend, kommen mir die letzten Tage wie eine große Erlebniswolke vor, die erst einmal in Ruhe von fern betrachtet werden will. Dieses Gefühl stammt daher, dass ich mich zur Taktik des „überall mal gewesen sein“ oder auch „jedes Thema einmal gehört haben“ entschieden hatte. Heißt: Kaum eine Sektion, kein Forum der Berufsgruppen und keine Abendveranstaltung blieb von mir unbesucht. Auch einen der angebotenen Salons zum "Treffen und Parlieren" besuchte ich und eine Exkursion folgte am Sonntag obendrein.
Ich hörte Vorträge zu mittelalterlichen Codices, zum Holyland-Modell in Jerusalem, zu barocken Perlenfiguren, zu deutschen Heimatmuseen, zur Beethovenhalle in Bonn, zum Verkauf der Salavator Mundi, zur Zeichnungsforschung im digitalen Zeitalter, zu Weltraumkunst und vielem mehr. Im Salon zur Kunst des Mittelalters fand ich mich für ein nettes Gespräch auf gemütlichen Sofas ein. Auch die Eröffnung und die Abendöffnung der Kunstsammlung der Universität ließ ich mir nicht entgehen.
Diese wahnsinnige Bandbreite an Forschungsthemen, Forschenden und Zweigen der Kunstgeschichte hat mich begeistert!
Die Erlebniswolke ist also dicht. Doch nun bin ich hinein getaucht, die Erinnerungen (zugegebenermaßen mit Hilfe meiner Aufzeichnungen) nehmen Formen an und einzelne Vorträge und Thematiken blinken mir entgegen. Wie der Vortrag von Constanze Falke zur Beethovenhalle in Bonn. Mit ihrer sehr analytischen Herangehensweise an das ursprüngliche Farbsystem innerhalb des Gebäudes, hat sie gezeigt: Kunsthistorische Forschung ist Detektivarbeit. Ein Aspekt, den auch ich bei Forschungsarbeiten immer wieder erlebe und genieße. In ihrem Vortrag kam das so deutlich zum Tragen, dass ich beglückt den Hörsaal verließ.
Ein weiterer Vortrag fällt mir sofort ein, wenn ich an den vergangenen Kongress denke: Heimatlust – Vermittlungsfrust von Yvonne Arras. Ein bittersüßer Vortrag zu deutschen Heimatmuseen. Über die Verstaubtheit so manchen Museums, vor allem auf dem Land. Aber auch über die Menschen, die oft freiwillig und unentgeltlich diese Museen erhalten. Eine Tatsache, die ich sehr honoriere und bewundernswert finde. Ich gehe in (fast) jedem Ort in das ansässige Heimatmuseum und habe oft erlebt, dass man (selbst als interessierte Person, wie mag es wohl Klassenausflüglern der neunten Klasse gehen?) vor Exponaten steht, die einerseits nicht viel mit dem Ort gemein zu haben scheinen und andererseits wohl seit vielen, vielen Jahren verstaubt in den Ecken des Museums stehen und an Aussagekraft eingebüßt haben.
Ich könnte hier noch unzählige weitere Vorträge aufzählen, die mich zu eigenen Überlegungen und Forschungen inspirierten, die von großartigen Personen vorgetragen wurden oder die überraschten und zum Staunen brachten. Jetzt (einmal eingetaucht in die große Erlebniswolke) schimmern mir viele der Beiträge deutlich entgegen. Frei nach Erich Kästner: Erinnerungen sind wie Mädchen im Schlafsaal. Wacht eine auf, wachen die anderen auch rasch auf.
Doch will ich das Innenleben der Wolke wieder verlassen und noch einmal aus gewisser Entfernung auf den Kunsthistorikertag 2019 schauen. Besonders beeindruckt und erfreut hat mich die Freundlichkeit und der Respekt, den die Kolleginnen und Kollegen einander sowohl auf persönlicher Ebene, als auch hinsichtlich ihrer diversen Forschungsbereiche entgegenbrachten.
Die Organisation des gesamten Kongresses, also vor allem die Möglichkeit des problemlosen Wechselns von einem Forum oder eine Sektion in die nächste, fand ich großartig.
Die wahnsinnige Bandbreite des Programms, von verschiedensten „Dingen“, die hier ganz im Sinne des Mottos „Zu den Dingen“ erläutert wurden, über die Berufszweige hinweg bis zu den Informationsveranstaltungen wie die zur Forschungsförderung, hat mich beeindruckt. Oft wusste ich gar nicht wo ich zuerst hingehen sollte. Gute Zeitplanung, Abwägung und Organisation war hier vonnöten, wenn man als Besucherin strukturiert am Kongress teilhaben wollte. Viele Besucher_innen saßen in den Pausen (und ja, zuweilen auch während der Vorträge) da und blätterten wild in ihren Veranstaltungskalendern, um sich für den Tag zu rüsten.
Als Besucherin war mir schnell klar: Dieser Kongress, diese lehrreichen fünf Tage, wurden mit Disziplin, höchsten Ansprüchen und vor allem viel Liebe für das Fach der Kunstgeschichte organisiert und ausgeführt.
Eine kleine Anmerkung als junge Frau und Nachwuchswissenschaftlerin sei mir ganz zum Schluss gestattet: Wäre es nicht schön, wenn wir beim nächsten Mal zum Kunsthistorikerinnentag kämen?