Während die Rolle des Fußball-Bundes (DFB) zur Zeit des Nationalsozialismus umfangreich erforscht ist, fehlt es bislang an Regional- und Vereinsstudien, die kleinere und mittlere Clubs in den Blick nehmen. Dr. Berno Bahro betrachtet diese in seinen Forschungen näher und untersucht die Auswirkungen des "Arierparagraphen" in Berliner und Brandenburger Turn- und Sportvereinen. Im Interview gibt er unter anderem Antworten auf Fragen nach Sanktionierungen bei einer Nicht-Einführung und Unterschieden zwischen den Fußballvereinen, Vereinen der Deutschen Turnerschaft und des Deutschen Ruderverbandes.
"Keine Konsequenzen für die einzelnen Vereine"
L.I.S.A.: Herr Bahro, Sie widmen sich in Ihrer Arbeit den Berliner und Brandenburger Turn- und Sportvereinen und untersuchen die Einführung sogenannter Arierparagraphen. Lässt sich ein Muster erkennen, wann diese Paragraphen und das „Führerprinzip“ eingeführt wurden?
Bahro: In der Regel wird in den Jahren 1933/34 auf Führerprinzip umgestellt, spätestens mit den Einheitssatzungen des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen, die 1935 erschienen und für alle Verein verpflichtend waren. In dieser Einheitssatzung war mit Rücksicht auf das Ausland wegen der Olympischen Spiele 1936 kein Arierparagraph vorgeschrieben. Deshalb verhält es sich in diesem Punkt ganz unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab, u.a. davon, welchem Fachverband der Verein angehörte und ob in dieser Frage Vorgaben beschlossen wurden. Dies war beispielsweise beim Ruderverband und bei der Deutschen Turnerschaft der Fall, im Fußball nicht.
L.I.S.A.: Wie stark wurde eine Nicht-Einführung der Paragraphen sanktioniert?
Bahro: Es lassen sich aus den Akten keine Konsequenzen für die einzelnen Vereine ablesen, die keine Arierparagraphen umgesetzt haben. So gibt es Turnvereine, die bis 1935 keine Satzungsänderungen vorgenommen haben und erst im Zuge der Umsetzung der DRL-Einheitssatzung einen Arierparagraphen einführten. In den untersuchten Akten fand sich sogar der Fall eines Rudervereins, der 1934 einen Arierparagraphen einführte und diesen dann bei der Umsetzung der DRL-Einheitssatzung wieder entfernte, denn dort war er nicht vorgeschrieben. Konsequenzen von Seiten des Verbandes sind nicht überliefert.