Autorin: Sarah Albiez, Universität Bonn
Zum Zeitpunkt der spanischen Eroberung gab es auf dem Gebiet des heutigen Mexiko zwei große Reiche, die aneinander grenzten und sich erbittert bekämpften. Doch während fast jeder schon einmal von den Azteken und ihrem Tributimperium gehört hat, sind die Tarasken auch Mexiko-Interessierten weitgehend unbekannt. Dabei waren sie den Azteken trotz der geringeren Größe ihres Reiches militärisch überlegen und konnten von diesen bei ihren zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen nie besiegt werden. Außerdem sind die westmexikanischen Kulturen, insbesondere die Tarasken, ein wichtiges Gebiet vorspanischer politischer Entwicklung und kulturgeschichtlich von großer Bedeutung; denn zum einen gehören die Tarasken eindeutig zu den mesoamerikanischen Hochkulturen, zum anderen weisen sie einige kulturelle Elemente auf, die sie von den anderen mesoamerikanischen Kulturen unterscheiden. Dennoch sind sie in der Forschung stark vernachlässigt worden. Bislang kaum untersucht sind auch die Außenbeziehungen des taraskischen Staates. In meinem Dissertationsvorhaben untersuche ich daher einerseits sämtliche Außenbeziehungen im Hinblick auf ihre Wechselwirkungen mit internen Faktoren, andererseits analysiere ich die Wechselwirkungen der Außenkontakte untereinander, Aufgrund der eingeschränkten Quellenlage, verbinde ich dabei Daten aus Archäologie und Ethnohistorie und in geringerem Maße auch aus der Geografie.
Die Untersuchung der Kontakte der Tarasken mit anderen Völkern inner- und außerhalb Mesoamerikas zeigt, dass die Tarasken innerhalb dieses Kulturareals weit weniger isoliert waren, als die Forschung lange angenommen hatte; von einer hermetisch abgeriegelten Außengrenze etwa zu den Azteken, wie sie von einigen Forschern postuliert worden ist, kann keine Rede sein. Die Kontakte zu anderen Regionen in- und außerhalb Mesoamerikas prägten die kulturelle und politische Entwicklung des taraskischen Staates und können auch Teile der Entwicklung des taraskischen Staates erklären. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die historischen Beziehungen zu den Azteken oder zumindest zu aztekischsprachigen Gruppen recht eng waren und es verschiedene, auch politisch bedeutsame Enklaven von aztekischsprachigen Gruppen im taraskischen Reich, dem Irechequa Tzintzuntzani gab. Doch neben den direkten Nachbarn gibt es auch Indizien für enge Beziehungen zu weiter entfernten Regionen, etwa im nördlichen Aridamerika. Und es gibt einige Hinweise auf zumindest indirekte Kontakte nach Zentral- und Südamerika; insbesondere an die Küste von Ecuador und Peru.