Obwohl mit der EU-Osterweiterung des Jahres 2004 die Europäische Teilung der Nachkriegszeit und des Kalten Krieges offiziell als überwunden galt, bestimmen nach wie vor Vorurteile und Stereotypen unsere – westeuropäisch geprägte – Wahrnehmung von Osteuropa. Mit diesen Fremd- aber auch den Eigenbildern in Osteuropa haben sich PD Dr. Marketa Spiritova, Prof. Dr. Klaus Roth und Dr. Katerina Gehl im Rahmen ihres Sammelbandes „Eigenbilder. Fremdbilder. Identitäten. Wahrnehmungen im östlichen Europa im Wandel“ beschäftigt. Wir haben Katerina Gehl und Marketa Spiritova um ein Interview gebeten und wollten von ihnen wissen, wie derartige Bilder entstehen und inwiefern diese auf Gegenseitigkeit beruhen.
"Rückgriff auf nationale, stark stereotypisierte Fremdbilder "
L.I.S.A.: Dr. Spiritova, Sie haben gemeinsam mit Prof. Dr. Klaus Roth und Dr. Katerina Gehl den Sammelband „Eigenbilder. Fremdbilder. Identitäten. Wahrnehmungen im östlichen Europa im Wandel“ herausgegeben. Welche Überlegungen gingen der Publikation voraus? Was interessiert Sie an dem Forschungsgegenstand besonders?
PD Dr. Spiritova / Dr. Gehl: Wir beobachten, dass – auch durch die Ignoranz des Westens gegenüber dem östlichen Europa – viele problematische wirtschaftliche und soziale Folgen der Transformation nicht erkannt beziehungsweise nicht richtig eingeschätzt wurden. Die zahlreichen Verlierer und die mehrfach enttäuschten Erwartungen an den Westen führ(t)en zum Rückgriff auf nationale, stark stereotypisierte, meist leider negative und oftmals nationalistische und rassistische Fremdbilder sowie insgesamt zu Entwicklungen, die in ihrer Tendenz und Wirkung den Zielen und Prinzipien der europäischen Einigung entgegenlaufen.