In der Satzung der 1948 gegründeten Weltgesundheitsorganisation (WHO) heißt es: „Es ist eines der Grundrechte jedes Menschen ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Lage, sich einer möglichst guten Gesundheit zu erfreuen." Seit 1966 gehört Gesundheit nach Artikel 12 des Sozialpakts der Vereinten Nationen zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten. Demnach haben Menschen ein Recht auf "höchsten erreichbaren Stand an körperlicher und geistiger Gesundheit". Dafür zu sorgen haben sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet. Grundvoraussetzung sind dabei Ärzte und Ärtztinnen, Krankenhäuser, Kliniken und vor allem Geld. Laut einer aktuellen Studie gibt es zu viele Krankenhäuser in Deutschland. Gut 800 müssten aufgrund von Ineffizienz und zu hoher Kosten geschlossen werden. Das hat für Kritik gesorgt, die zugespitzt in der Frage gipfelt: Kann Gesundheit zu teuer sein? Wir haben den Medizinhistoriker Prof. Dr. Wolfgang U. Eckart, der bis 2017 Professor für Geschichte der Medizin und Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg war, um eine Einschätzung gebeten.
"Viele Regionen der Bundesrepublik sind geradezu dramatisch unterversorgt"
L.I.S.A.: Herr Professor Eckart, Sie forschen seit viele Jahren zur Geschichte der Medizin und der Gesundheitssysteme. Ausgelöst durch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel "Neuordnung der Krankenhaus-Landschaft“ wird gegenwärtig darüber kontrovers diskutiert, wie viele Krankenhäuser und Kliniken in Deutschland gebraucht werden. Die Ersteller der Studie meinen festgestellt zu haben, dass davon zu viele im Land existieren – die bestehenden rund 1400 Einrichtungen müssten auf unter 600 reduziert werden, so die Studie. Ein aus Ihrer Sicht sinnvoller Vorschlag? Gibt es in Deutschland zu viele Krankenhäuser und Kliniken? Wie beurteilen Sie die gegenwärtig geführte Debatte?
Prof. Eckart: Die Deutschen lieben ihr kommunales, ihr städtisches, ihr kleines konfessionelles Krankenhaus. Es begleitet sie von der Geburt bis in den Tod, ist nicht nur Teil ihrer medizinischen Versorgung, sondern ein gutes Stück weit auch Heimat. Wie anders sollte man sich den Riesenerfolg der TV-Serie „Das Krankenhaus am Rande der Stadt“ in den 1970er und folgenden Jahren erklären? Dieser ‚Straßenfeger’ begeisterte die deutschen Fernsehzuschauer und brachte das Krankenhaus als ein Stück Heimat in ihre Wohnzimmer. Die derzeitige, rein ökonomisch und unter Effektivitätskriterien geführte Diskussion der Frage, ob es in Deutschland zu viele Krankenhäuser gibt, greift meines Erachtens zu kurz. Hier wird viel zu undifferenziert argumentiert. Es mag ja sein, dass es im großstädtische Raum, oder in urbanen Ballungsgebieten wie in Rhein-Ruhr, im industriellen Südwesten (Mannhzeim-Heidelberg-Ludwigshafen) oder im Versorgungsraum Halle-Leipzig zu viele Krankenhäuser der Grundversorgung gibt, auch weil dort oft zugleich viele universitäre Kliniken der Maximalversorgung angesiedelt sind. Hier muss kritisch die Lage überprüft werden. Aber in einer Studie, wie sie im Auftrage von Bertelsmann vorgelegt wurde, wäre es sinnvoller gewesen, zwischen einzelnen Regionen, zwischen Stadt und Land, zwischen Ost und West, zwischen Ballungsräumen und eher großflächigen ländlichen Regionen genauer zu differenzieren. So sind viele Regionen der Bundesrepublik vor allem in ländlichen Bereich und besonders in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns oder Brandenburgs medizinisch geradezu dramatisch unterversorgt. Geringe Arzt- und Krankenhausdichten verbieten in solchen Regionen die ökonomisch Reduzierungsdebatte geradezu. Hier sollte alles dafür getan werden, die ambulante und stationäre medizinische Versorgung zu verbessern.