Die globale Schüler- und Studierendenbewegung, Fridays for Future, ist längst im Stadtbild vieler Städte verankert: Vor allem Schülerinnen und Schüler protestieren freitags regelmäßig für den Klimaschutz, fordern die Senkung der Treibhausgase, den Kohleausstieg sowie die Förderung erneuerbarer Energien. Eine Leitfigur der Bewegung ist die 16-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg, die ihren Protest im Spätsommer des vergangenen Jahres vor dem schwedischen Parlament begann und den freitäglichen Schulstreik für das Klima wesentlich prägte. Am 15. März diesen Jahres fand im Rahmen dieser Bewegung der erste globale Protesttag statt: Allein in Deutschland waren 220 Proteste angekündigt. Das Institut für Protest- und Bewegungsforschung führte im Rahmen der Proteste Befragungen durch, um die Motivation sowie Mobilisierung der Beteiligten zu bestimmen. Im Interview mit der stellvertretenden Vorsitzenden des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung, Prof. Dr. Sabrina Zajak, haben wir nach ersten Ergebnissen der Studie sowie einer historischen Einordnung des Protests gefragt.
"Politik und Individuum werden zur Verantwortung gezogen"
L.I.S.A.: Frau Prof. Dr. Zajak, Sie sind als stellvertretende Vorsitzende des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung maßgeblich an einer Studie zu den sogenannten Fridays-for-Future-Protesten beteiligt gewesen. Nun sind erste Ergebnisse der Befragung vom 15. März 2019 erschienen. Was konnten Sie herausfinden – welche Motivation steckt hinter den Protesten? Warum erregen die Proteste eine solche mediale wie gesellschaftliche Aufmerksamkeit?
Prof. Dr. Zajak: Die ersten Klimastreiks begannen bereits September 2018, erhielten damals jedoch kaum Aufmerksamkeit. Das änderte sich im Januar 2019: Sowohl die Bewegung als auch die mediale Aufmerksamkeit begann zu wachsen. Das lag unter anderem auch daran, dass die Streiks in erster Linie von SchülerInnen getragen wurden. Das Thema des Klimaschutzes wurde schnell mit der Frage der Schulplicht und der Politisierung der Jugend im Allgemeinen verbunden. Vor allem die Debatte über das „Schulschwänzen“ nahm schnell an Fahrt auf und überlagerte auch die Auseinandersetzung um die Inhalte und Ziel des Protests. Gleichzeitig wurde so auch Aufmerksamkeit für die Proteste generiert, was wiederum einen verstärkenden Effekt auf die Bewegung hatte. Dennoch sollten wir die Rolle der Online- und Offline-Medien nicht überschätzen. Von unseren Befragten gaben nur 5,5% der Befragten an, über Zeitungen (gedruckt oder online) von dem Streik am 15. März erfahren zu haben. 31,3% wurden über die sozialen Medien über den Streik informiert und 32,8% über Freunde und Bekannte. Über 90% der Befragten gaben an, mit Freunden auf der Demonstration gewesen zu sein.
Das zentrale Anlegen der SchülerInnen ist es, den Klimawandel zu stoppen. Er wird als ein langfristiges und dringendes Problem angesehen, welcher auch die eigene Zukunft bedroht. Das wird in Aussagen wie „Weil sich in der Politik etwas ändern muss und wenn die das nicht angehen oder merken, müssen wir halt für unsere Zukunft kämpfen! Die notwendigen Maßnahmen müssen umgesetzt werden“ sichtbar, aber auch an den Slogans auf den selbstgebastelten Plakaten wie „Es gibt keinen Planet B”, “Kohle löst unsere Zukunft in Rauch auf“ oder “Weil es unsere Zukunft ist“. Der Protest soll in erster Linie die Politik dazu bewegen, zu handeln, aber auch ihre bereits gemachten Versprechen einzulösen. Der Protest adressiert aber auch jeden Einzelnen, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Sowohl die Politik als auch das Individuum werden zur Verantwortung gezogen.