Für die letzte Phase der Pandemie, die jetzt hoffentlich angebrochen sei, brauche es noch eine Weile Durchhalten und Zusammenhalt, meint Alena Buyx. Sie leitet das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der TU München und ist Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Buyx sagt: "Wir merken jetzt, wie wichtig es ist, dass wir diese Solidaritätsressourcen haben und wie abhängig wir auch als Gesellschaft davon sind, dass wir alle unseren Teil dazu beitragen.“ Für Solidarität sei ein Element der Reziprozität, also der Gegenseitigkeit, wichtig, sagt Buyx. Mit Blick auf die Pandemie und jüngere Menschen, die sich lange zurückgenommen haben, fügt sie hinzu: „Ich darf mich nur nicht zu häufig, an zu vielen verschiedenen Stellen quasi, betrogen fühlen um die Reziprozität, also die Gegenseitigkeit. Denn ohne diese Gegenseitigkeit funktioniert Solidarität dauerhaft nicht.“
In vielen Kindertagesstätten hat sich im Mai gezeigt, dass bei immer mehr Eltern die Kraft oder der Wille, sich einzuschränken gelitten hat. Die Psychologie-Professorin Maike Luhmann, die zu Lebenszufriedenheit und Einsamkeit forscht, sagt: "Solidarität ist der Schlüssel zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, aber selten waren die damit verbundenen Kosten für die Einzelnen so hoch." Jetzt gelte es die Folgen des ungleich verteilten Verzichts aufzufangen, damit die Solidarität innerhalb der Gesellschaft nicht gefährdet werde.
Im Frühjahr vergangenen Jahres gab es für die so genannten systemrelevanten Gruppen - von Pfleger*innen, Erzieher*innen über Reinigungskräfte und Kassierer*innen - Applaus vom Balkon oder Lob in Sonntagsreden und sozialen Netzwerken. Vielen wurde klar: Ohne diese Menschen, oft unterdurchschnittlich bezahlt, würde das System nicht funktionieren. Was ist von der Wertschätzung und der Solidarität für diese Berufe fühlbar geworden, was ist materiell geblieben? Wie viel Gerechtigkeit, Vertrauen und Gemeinsamkeit braucht Solidarität?
Das Gespräch zum Thema „Wir oder Ich – Wie gelingt Solidarität?“ beginnt um 19 Uhr und wird vom SWR per Livestream auf www.swr.de/demokratieforum übertragen und am Sonntag, 20. Juni 2021 ab 10.15 Uhr im SWR Fernsehen gezeigt.