Der 27. Januar stellt einen der bedeutungsvollsten Tage, die das 20. Jahrhundert gekennzeichnet haben, dar. Er wurde 2005 von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust und zum Gedenken an den 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau festgelegt. Die unbestreitbar starke Symbolik, die dahinter steckt, spiegelt sich natürlich auch in der Plethora an Veranstaltungen und Publikationen wider, die jährlich zu diesem Thema entstehen und es sich zur Aufgabe gemacht haben, neues Licht in die dunklen Ecken dieses Geschehens zu werfen. Dunkle Ecken gibt es in diesem Kapitel des vergangene Jahrhunderts mehr als genug – aber auch Menschen, die es durch ihre Arbeit geschafft haben, das nötige Licht auf einen Abschnitt zu werfen, der in Deutschland bis heute noch unerforscht bleibt: das Schicksal der jüdischen Gemeinde in Griechenland.
Vor dem Überfall der deutschen Wehrmacht 1941 lebten 80.000 Juden in Griechenland, davon ungefähr 50.000 in Thessaloniki. Nachdem die Nazis im Mittelmeerland getobt hatten, schrumpfte diese jahrhundertealte Gemeinde schlagartig auf 5.000 Menschen. Einer der damals größten und ältesten jüdischen Friedhöfe wurde während der Besatzung zerstört – nicht nur von Nazis. Diese zweifelsohne schreckliche, jedoch nicht weniger faszinierende Geschichte der Juden in Griechenland und vor allem in Thessaloniki wird seit einiger Zeit zunehmend aufgearbeitet und im Rahmen unterschiedlicher deutsch-griechischer Kooperationen auch auf Deutsch veröffentlicht.
Gleich mehrere Publikationen wurden unlängst veröffentlicht und versuchen durch das gedruckte Wort eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, um der jüngeren Geschichte der Juden in Griechenland eine Stimme zu verleihen. Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte zu Beginn des Jahres eine Rezension des Buches Der Holocaust der griechischen Juden. Studien zur Geschichte und Erinnerung von Rena Molho, das 2016 beim Verlag J.H.W. Dietz in deutscher Übersetzung erschien. Rena Molho veröffentlichte zusammen mit Vilma Hastaoglou-Martinidis ein weiteres Buch unter dem Titel Jüdische Orte in Thessaloniki: Ein historischer Rundgang, durch das historische Daten, Biographien und Orte so miteinander verknüpft werden, dass sich daraus ein Gesamtüberblick der engen Verflechtung von jüdischer Gemeinde und Stadt bildet. Dieses Buch erschien 2016 bei der Edition Romiosini in Berlin mit einem Vorwort von Rena Molho und dem Präsidenten der jüdischen Gemeinde Thessaloniki.
Wenige Tage später erschien in der Süddeutschen Zeitung eine weitere Rezension zu Büchern über den zweiten Weltkrieg in Thessaloniki. Das Buch Die Überlebenden. Widerstand, Deportation, Rückkehr. Juden aus Thessaloniki in den 1940er Jahren von Rika Benveniste, ebenfalls 2016 erschienen bei der Edition Romiosini sowie das Tagebuch des Auschwitz-Häftlings Heinz Salvator Kounio Ein Liter Suppe und 60 Gramm Brot. Das Tagebuch des Gefangenen 109 565, 2016 erschienen beim Hentrich & Hentrich Verlag Berlin. Beide Bücher dokumentieren persönliche Geschichten von jüdischstämmigen Griechen aus Thessaloniki und deren Kampf ums Überleben in einer Welt zwischen Mittelmeer und Konzentrationslager. Diese persönlichen Schicksale betonen unbestreitbar, dass eine Stadt mit einer einmal blühenden jüdischen Gemeinde und Bezeichnungen wie Jerusalem des Balkans und Madre de Israel weder ihre Vergangenheit noch einen Teil ihrer Kinder vergessen darf.