Seit Vladimir Putin im Jahr 2000 zum russischen Präsidenten gewählt wurde, hat sich sein Bild in Russlands Öffentlichkeit inflationär verbreitet. Seine visuelle Präsenz beschränkt sich nicht auf die staatlich kontrollierten Medien. In seiner achtjährigen Amtszeit hat sie in fast alle Bereiche der russischen Kunst- und Kulturszene Eingang gefunden. Neben der Vermarktung des Präsidentenbildes in der Populärkultur wie im Devotionalien- und Souvenirhandel beschäftigen sich zahlreiche russische Künstler mit dem Bild des Präsidenten. Es entstanden sehr unterschiedliche künstlerische Arbeiten, die das in den Medien konstruierte offizielle Image des russischen Präsidenten aufgreifen und es zum Teil kritisch, oftmals aber auch affirmativ reproduzieren.1)
Die Werke von Nikas Safronov, Zurab Cereteli, Farid Bogdalov und Sergej Kalinin sowie Dmitrij Vrubel und Viktorija Timofeeva zeigen, welches Spannungsverhältnis zwischen der Produktion der `Putinkunst`, ihrer Rezeption in Regierungskreisen und der Kommerzialisierung des Präsidentenbildes existiert. Diese Künstler repräsentieren ein breites Spektrum unterschiedlichster Kunstverständnisse. Es reicht vom Porträtisten der neuen Polit- und Wirtschaftselite, Nikas Safronov, bis zu dem aus der inoffiziellen sowjetischen Kunstszene stammenden Dmitrij Vrubel. Alle Künstler eint die Frage, wo sich ihre Putinkunst zwischen Kunst, Kult und Kommerz verorten lässt. Um die Wirkung von Kunstwerken und damit ihre Funktion zu analysieren, ist nicht nur die Intention des Künstlers von Bedeutung,2) sondern auch der Kontext, der Erfolg des Werkes auf dem Markt oder auch die Reaktion der Staatsmacht. Wenn Künstler das Bild des Präsidenten zum Thema ihres künstlerischen Schaffens machen, stellt sich nicht nur die Frage, welche Ziele sie damit verfolgen, sondern auch die nach den künstlerischen Mitteln, die sie einsetzen sowie nach der Rezeption durch ihre Käufer – also nach dem komplexen Verhältnis von Kunst, Kommerz und (Staats-)Macht. Im vorliegenden Fall ist das Darstellen des russischen Präsidenten Teil einer verbreiteten Strategie der Künstler, sich selbst zu vermarkten.3)
Nikas Safronov: Hofmaler und Partylöwe
Nikas Safronov firmiert in der Presse schon mal als „Skandalkünstler“4) und „Partylöwe"5) der High Society. Zugleich gilt er als Freund von Präsidenten und Premierministern. Er hat bereits zahlreiche Staatsoberhäupter, darunter Michail Gorbačev, den türkischen Präsidenten Süleyman Demirel, den Präsidenten Aserbaidschans G. Alieva sowie George W. Bush und Gerhard Schröder gemalt. Selbstgefällig bekennt er: „[...] ich kenne alle, die man kennen muss."6) Wen man kennen muss, erfährt jeder, der Safronov in seinem Atelier besucht – seinen gesamten Flur zieren Fotografien, die ihn mit der internationalen Prominenz zeigen: mit Jodie Foster, Jack Nicholson, Robert de Niro, Sofia Loren, Diana Ross, Madonna, Erich Honecker, Margarete Thatcher, Michail Gorbačev, Bill Clinton, dem Papst Johannes Paul, George W. Bush und Vladimir Putin.
Quelle: http://www.nikas-s.ru/gallery.php?dir=7&tab=gallery&page=3 vom 24.10.2007
Von Safronov stammt das wohl bekannteste Bildnis Vladimir Putins (Abb.1). Das Gemälde folgt dem klassischen Bildtypus des Herrscherporträts. Putin ist in Anzug und Krawatte – dem zeitgenössischen Herrschergewand – in statischer Pose vor einem Fenster porträtiert und hat die rechte Hand in absolutistischer Geste auf eine schwarze Stuhllehne gestützt. Sein Gesichtsausdruck ist ernst. Rechts hinter ihm ist, als klassisches Requisit von Herrscherdarstellungen, ein grüner Vorhang drapiert. Links im Bild eröffnet sich ein Fensterausblick auf einen Herrschaftsraum, der staatliche und kirchliche Macht in einem Stadtblick auf Kremltürme und Erlöserkathedrale symbolisch verdichtet. Mit diesem Bildformat aktualisiert Safronov eine bereits zu Sowjetzeiten gängige Darstellung des Führers im Kreml. Diese rekurrierte ihrerseits auf die europäische Tradition der Herrscherdarstellung, die in kanonisierter Weise den König oft vor einem Fensterausblick im Schloss als dem Sitz seiner Macht zeigte.
Über seine Beweggründe, Präsidenten darzustellen, äußert sich Safronov in seiner Wohnung im Zentrum Moskaus mit Blick auf den Kreml eindeutig:
"Ich habe hier oben eine 800-Quadratmeter-Wohnung. Wenn diese fertig renoviert ist, wird sie um die fünf Millionen Dollar gekostet haben. – Damit habe ich ihre Frage beantwortet."7)
Damit spricht der Künstler auch seine zentrale Vermarktungsstrategie an: „Ich verkaufe, wenn gekauft wird"8). Er weist darauf hin, dass es kein Bild gebe, das er nicht verkaufen würde, wenn der Preis stimme. Und wenn Klienten mit Wünschen oder Änderungsvorschlägen zu ihm kommen, so ist seine Einstellung zu den Aufträgen deutlich: „Der Kunde hat immer Recht.“9) Auch die Tatsache, dass ihn oftmals wohlhabende Geschäftsleute mit der Bitte um ein Porträt von seiner Hand beehren, unterstreicht Safronovs Verhältnis zur Auftragskunst. Viele wünschen ein Selbstbildnis – egal in welchem Stil, Hauptsache teuer. Dabei scheint ein hoher Preis ein Synonym für Prestige und Qualität, welche Safronov mit dem Topos des Künstlerruhmes gleichsetzt:
"Selbst wenn mich jemand als Hofkünstler bezeichnet, werde ich nicht widersprechen. [...] Ich werte das als Anerkennung meines Talentes. Letztendlich steckt das Establishment sein Geld nicht in irgendeine `Boulevardkunst`."10)
Der selbsterklärte Allroundkünstler nutzt jede Gelegenheit, sich als Hofmaler in Szene zu setzen. In einem Interview erzählte er, Putin habe ihn George W. Bush vorstellen wollen, woraufhin dieser eingewendet habe, Nikas Safronov kenne er doch. Bestätigend soll Putin daraufhin seinen Arm um Safronov gelegt und gesagt haben: „Unser bester Künstler!“11) Auch wenn die Anekdoten Safronovs oftmals übertrieben erscheinen, zollte die Präsidialverwaltung dem Künstler eine besondere Anerkennung, als sie ihm 2002 eine goldene Uhr schenkte.12) Obwohl es keinerlei Hinweise dafür gibt, dass dieses Geschenk mit der Wertschätzung für Safronovs Präsidentenporträt in Zusammenhang steht, versucht der Künstler diese Interpretation nahezulegen. Gegenüber „Deutsche Welle Radio & TV“ behauptete er 2004, der Präsident persönlich habe ihm bestätigt, dass sein Porträt in den Kabinetten seiner Minister hinge, da es Putin selbst so sehr gefalle.13) Obgleich sich nicht genau sagen lässt, wie oft das Porträt Safronovs in den Stuben des Kreml hängt, ist die demonstrative Präsentation des Präsidentenporträts in Beamtenbüros – in der Tradition des sowjetischen Führerkults – heute wieder gang und gäbe. Putin äußerte auf die Frage, was er davon halte, dass sich in den Amtsstuben zahlreicher Beamter sein Porträt befinde:
"Bekanntermaßen ist der Präsident – ebenso wie Flagge und Wappen – ein Symbol für den Staat, und deshalb ist das alles gut so, solange es im Rahmen bleibt."14)
In einer für sich selbst sprechenden Künstleranekdote über die Entstehung des Putinporträts schreibt Safronov sich seine (Wunsch)Stellung zu: Er berichtet, dass er, nachdem er bereits Skizzen von Putins Gesicht und vom Fensterausblick im Kreml hatte, noch Gewand und Hände für das Bildnis entwerfen musste. Für die rechte Hand des Präsidenten nahm er schlichtweg seine eigene, die schöpfende Hand des Künstlers, zur Vorlage15) und machte seine Hand so buchstäblich zur rechten Hand des Herrschers. Auch in theoretischen Aussagen über seine Kunst und Arbeitsweise stellt sich der selbsternannte Hofmaler in die Tradition idealisierender Herrscherdarstellungen:
"Ich beseitige Runzeln, graues Haar und andere Alterserscheinungen und versuche, Edelmut und geistige Weisheit meiner Helden in den Vordergrund zu stellen. Meine Porträts sind idealisiert, denn wenn man einen Menschen schöner malt, als er ist, dann wird er auch schöner. Ich gebe meinen Helden die Möglichkeit, erhabener und reiner zu werden. Und ich bin froh, wenn sie diese Chance wahrnehmen. Ich male nicht die Mängel der Menschen, ich male ihre Vorzüge. Und das ist keine künstlerische Schmeichelei, sondern eine Materialisierung des ewigen Gebotes Christi: `Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst`."16)
Safronov schreibt seiner Kunst eine nahezu demiurgische Allmacht zu, wenn er behauptet: „Du [der Künstler] zeichnest einen Plan und nach diesem leben die Menschen.“17) Er beruft sich auf die russisch-orthodoxe Ikonentradition und leitet daraus eine esoterische Mystik ab, nach der seine Bilder energetisch aufgeladen seien:
"Das Malen habe ich mit der Ikonenmalerei gelernt. Und wenn ich mich daran setze, ein Bild zu malen, beginne ich immer mit einem Gebet. Und ich bin bestrebt, einen Menschen so zu malen, als ob ich seinen Schutzengel malen würde. Deshalb strahlen die Menschen auf meinen Gemälden Güte und Wärme aus."18)
Die zitierten Aussagen sind Inszenierungsstrategien des Künstlers, wobei es nicht von Belang ist, ob er selbst an sein anachronistisches und eklektizistisches Kunstverständnis glaubt oder ob er unterschiedliche Kunstkonzepte nur bewusst vereinnahmt. Offensichtlich ist vielmehr, dass er einen Weg gefunden hat, sich über seine extravaganten Inszenierungen Aufmerksamkeit zu verschaffen und einen Absatzmarkt für seine Herrscherporträts zu finden.19)
„RASPUTIN“, 5/2005, S. 5.
Doch es muss nicht unbedingt konventionell sein, Safronov kann auch anders: Am 26. Mai 2005 enthüllte er auf einer Vernissage im Luxusrestaurant „Doucet“ in Moskau ein Gemälde, das Vladimir Putin in einem Remake des Malers Jean Clouet als den französischen Renaissancekönig François I. zeigt (vgl. Abb.2). Das Bild Safronovs ist dem Gemälde Clouets detailreich nachempfunden, obgleich es keine genaue Kopie darstellt und sich vom Original in Farbgebung und plastischer Ausarbeitung unterscheidet. Anstelle des Gesichtes François I. ist das Porträt Putins unter die Perücke des Königs gemalt. Den Aussagen des Künstlers zufolge habe Putin das Gemälde in einer Reproduktion gesehen und es habe diesem gefallen. Die Idee habe ihm der Präsident selbst geliefert, als er äußerte, dass er François I. sehr schätze. Safronov habe dem Präsidenten mit seiner künstlerischen Schöpfung ein Kompliment machen wollen.20) Ihn als Künstler habe zudem die Tatsache motiviert, dass François I. ein großer Mäzen und Kunstliebhaber war. Leonardo da Vinci sei in seinen Armen gestorben.21) Versetzt der Künstler Putin in die Rolle des großen Kunstgönners, so ist das Ziel seiner Erzählung implizit, sich selbst jene des Künstler-Universalgenies zuzuweisen.
Zur extravaganten Inszenierung der Enthüllung des Bildes „Putin als François I.“ im „Doucet“ zählten nicht nur die Lobeshymnen in den Ansprachen der Gönner Safronovs. Auch der Chefkoch des Restaurants dankte dem Künstler mit einer seiner Hummerkreationen und der Konditor des Hauses, der eine kleine Torte mit bunten Marzipanpinseln und einem in Tortenguss nachgestalteten Ölgemälde Safronovs dekoriert hatte, kam ebenfalls zu Wort. Unter dem vor den Versammelten enthüllten Putinporträt prangte bereits in Großbuchstaben der neue Besitzer des Bildes: „RASPUTIN“. Der auf der Veranstaltung anwesende Herausgeber des Pornoheftes „RASPUTIN“ verkündete in seiner Ansprache mit Nachdruck, er werde in Zukunft auch sämtliche erotische Bilder Safronovs kaufen und diese in einer Galerie pornografischer Kunst ausstellen.
So gibt es neben einer `Putinausgabe` des Pornojournals „RASPUTIN“ (Abb.3) weitere Hefte, deren Titelblättern anlässlich der Serie „Die Kunst Nikas Safronovs“ monatlich ein Aktgemälde des Künstlers zierte (Abb.4). Das Putinporträt wurde auf der Titelseite der Maiausgabe 2005 des „RASPUTIN“so montiert, dass es die ersten drei Buchstaben von „Rasputin“ verdeckte und das Wortspiel „Putin – Rasputin“ entstand. Neben dem Versuch, in Zeitungen und Boulevardzeitschriften ständig präsent zu sein, zählen auch `Skandale` wie dieser zu Safronovs PR-Strategie. In einem in der Maiausgabe der Pornozeitschrift abgedruckten Interview äußerte Safronov überzeugt: „[...] solange Putin Präsident ist, wird man ihn in jeder Form kaufen.“22) Folgerichtig malt er auch – je nach Präferenz des Käufers – Variationen seiner Putinbildnisse, wie jenes, das Putin im Habitus Napoleons vor dem Fensterausblick auf das brennende Moskaus zeigt (Abb.5). Für den Künstler stellt es kein Problem dar, neben Frauenakten mit Tierköpfen auch religiöse Gemälde wie Madonnendarstellungen oder Mandylionbilder zu vermarkten – oder eben den Präsidenten in jedem erdenklichen Outfit.
Zurab Cereteli: Moskaus einflussreichster Bildhauer
Auch der Moskauer Großkünstler und beinahe grenzenlos erfolgreiche Selbstvermarkter Zurab Cereteli entdeckte den russischen Präsidenten als Objekt für seine Kunst. Cereteli, Präsident der russischen Akademie der Künste und Intimus des Moskauer Bürgermeisters Lužkov, ist der einflussreichste Bildhauer der russischen Hauptstadt. Mit seinen hartnäckigen Vermarktungsstrategien und oftmals gegen den Willen der russischen Öffentlichkeit schaffte es Cereteli, weite Teile Moskaus mit seinen monumentalen Hinterlassenschaften zu prägen. Dazu zählen die Mitgestaltung des Verneigungshügels im Siegespark zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg, das kuppelüberwölbte Einkaufszentrum am Manegeplatz mit seinen kindlich-kitschigen Märchenfiguren, die „die feierliche Kreml-Umgebung unwiderruflich in Disney-Atmosphäre gehüllt haben“23), das Denkmal Peters des Großen an der Moskva sowie die Aufsicht über und Mitarbeit am Wiederaufbau der gigantischen Christus-Erlöserkathedrale als einem neuen wirkmächtigen Symbol der russischen Orthodoxie.24) Der russische Denkmalkünstler hat aber auch den internationalen Markt mit seinen Monumentalwerken erobert. Eine Weltkarte im Eingangsbereich seiner mit Bronzemodellen und buntfröhlichen Malereien überschwänglich ausgestatteten Galerie verzeichnet Monumente, die er weltweit in insgesamt achtzehn Ländern aufstellen ließ.25) Im Museumsshop sind allerlei Devotionalien mit den Reproduktionen seiner Bilder sowie Filme und Bücher über das „Künstlergenie“ zu erwerben. Hinter der ausgeklügelten Vermarktung des Produktes „Zurab Konstantinovič“ auf den unterschiedlichsten kommerziellen Ebenen steht eine umfassende „Cereteli-Industrie“.
Zurab Cereteli. Katalog novoj ekspozicii, Moskva 2004, S. 19
2004 stellte der Künstler in seiner Galerie an der Prečistinka-Strasse seine monumentale Plastik „In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist“26) auf: eine überlebensgroße Bronzestatue, welche Vladimir Putin im Judoanzug zeigt (Abb.6). Eigenen Angaben zufolge hatte er zuvor bereits zwei Jahre an diesem Werk gearbeitet.27) Zunächst war er sich weder über Titel28) noch über den Aufstellungsort29) im Klaren. Im Jahr 2004 wurde die Plastik dann in einem Raum in Ceretelis Galerie unter dem Titel „Meine Zeitgenossen“ als zentrales Exponat präsentiert. Den Auftakt zu „Meine Zeitgenossen“ stellt eine vergoldete Reliefplastik dar: ein Selbstbildnis des Künstlers mit athletischem nackten Oberkörper in antikisierendem Gewand (Abb.7).
DI, Journal des Moskauer Museums für moderne Kunst, 7-8/2003, S. 3.
Um ihn herum sind als Zeugen seiner schöpferischen Produktivität zahlreiche Miniaturmodelle seiner Monumentalplastiken versammelt. Es frappiert, mit welchem Selbstbewusstsein sich der Künstler hier selbst ein Denkmal setzt. Beim Betreten des großen Raumes, der von in Bronzereliefs gestalteten Porträts zahlreicher Künstler, Schriftsteller und Kulturträger des 20. Jahrhundert gesäumt ist, läuft der Betrachter direkt auf die Standfigur Putins zu. Der Präsident ist als athletischer Gigant, in statischer Pose mit nackten Füßen und in die Hüften gestemmten Händen dargestellt. Die Plastik ist auf einer mit Signatur und Titel versehenen Bronzeplatte ohne Sockel direkt auf dem Boden des Museums aufgestellt. Durch diese Präsentationsform wird der Betrachter unmittelbar körperlich mit dem bronzenen Koloss konfrontiert. Die Statue in doppelter Lebensgröße lässt in ihrer Statik und Monumentalität deutliche Rekurse auf stalinistische Denkmäler erkennen. Die Figur ist allerdings nicht als offizielles Porträt konzipiert. Stattdessen wird Putin als Judokämpfer dargestellt. Diese Darstellung nimmt das offiziell gepflegte Image von Putin als Judosportler auf, der mit Epitheta wie „Männlichkeit“, „Vitalität“ sowie „geistige und körperliche Stärke“, aber auch „(fernöstliche) Weisheit“30) ausgestattet wird.31) Nach Zurab Ceretelis Pressesekretärin soll es sich bei der Plastik um die Allegorie des jungen, starken Russlands handeln: ein Führer, der das Land zielbewusst ins 21. Jahrhundert führt.32) In dieser Konstruktion werden zwei Imageaspekte aufgegriffen: Der Führer, der mit „starker Hand“ das Land regiert und der junge, sportliche und demokratische Präsident. Die Plastik verweist in zweifacher Weise auf den Körper des Präsidenten. Auf die Person, die als sportlicher Judokämpfer in Szene gesetzt wird und auf die metaphysische Idee des „Amtskörpers“, der Verkörperung von Volk und Herrschaftsterritorium. Die Cereteli-Plastik zeigt den Präsidenten als monumental übersteigerten Superhelden, der vor körperlicher und geistiger Kraft nur so strotzt. Dabei entbehrt sie jeglicher distanzierender Ironie und ihre gigantische Form wirkt deplaziert und kitschig.33) Gelfert beschreibt „Kitsch“ als ein „Missverhältnis zwischen ästhetisch-formaler und ethisch-substantieller Intention“, wobei die formale Intention einen höheren Anspruch stellt, als die inhaltliche einzulösen vermag.34) In diesem Sinne muss die Cereteli-Plastik als Monumentalkitsch bezeichnet werden. Der Anspruch der Putinbronze, „eine unbezweifelte immaterielle Größe durch ein physisches Äquivalent dauerhaft sichtbar zu machen“35) bzw. Großmachtphantasien durch einen Präsidentenriesen zu verkörpern, ruft anachronistische Repräsentationsmuster auf. Auch Ceretelis Pressesekretärin versucht die Monumentalität der Plastik mit dem Argument zu rechtfertigen, dass es in Russland seit Peter dem Großen keinen russischen Führer derartigen Maßstabes mehr gegeben habe.36) In den Werken Ceretelis zeigt sich generell das Erbe einer monumentalen Repräsentationsweise, die Größe in einem konkreten Sinne durch die Wahl von Material und Form zum Ausdruck bringt. Cereteli überhöht in seiner Putinstatue das Präsidentenamt. An die Stelle der demokratischen Legitimation des Amtes rückt der Versuch, Legitimation durch Größe und Heldentum der Persönlichkeit zu stiften.
Es bleibt die Frage nach den Ambitionen, welche der Künstler mit der Plastik hegte. Eigentlich sei es nicht sein Stil, Führer zu malen, so Cereteli in einem Interview in der russischen Zeitung „Moskovskij Komsomolec“37) im September 2002. Doch dann habe er eine Fotografie Putins gesehen, die ihn durch ihre märchenhafte Ausstrahlung inspiriert habe.38) Die Legitimation für die Darstellung des Herrschers bezog Cereteli aus dem Topos des genialen Hofkünstlers:
"Es geht nicht darum, dass man Herrscher nicht malen soll. Velázquez, Tizian und Goya malten Könige [...]. Warum? Weil sie große Künstler waren und große Vorbilder vor sich hatten. Die Könige liebten die Kunst und gute Künstler."39)
Ob Cereteli vorhatte, Präsident Putin die Statue – im Bestreben nach `königlicher Anerkennung` – zu schenken, lässt sich heute kaum noch feststellen, denn das Werk stieß im Kreml auf großes Missfallen. In einem am 28. April 2004 in der russischen Zeitung „Komsomol`sjaja Pravda“ veröffentlichten Artikel wies ein Sprecher des Kremls Zurab Cereteli in seine – rechtlichen – Schranken:
"Solche Bekundungen haben wir von einem derart bekannten und erfolgreichen Künstler nicht erwartet. Wem, wenn nicht ihm, dürfte bekannt sein, dass Präsident Putin solchen Dingen gegenüber äußerst negativ eingestellt ist. Und wir sind davon überzeugt, dass dieses Kunstwerk nirgendwo sonst als im eigenen Hof des Bildhauers ausgestellt werden wird. Zurab Cereteli, der aktiv für die Einhaltung seiner eigenen Autorenrechte kämpft, sollte bekannt sein, dass gemäß §138 des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation `die Nutzung von als Objekte ausschließlicher Rechte geltenden Individualisierungsmitteln Dritten nur mit Genehmigung des Rechtsinhabers erlaubt ist.`"40)
Nachdem Cereteli die Plastik über zwei Jahre `versteckt` gehalten hatte, kam es im April 2004 zu ihrer inszenierten Enthüllung durch die Medien. Cereteli behauptet, Journalisten hätten durch ein Fenster die in seinem Hof stehende Plastik heimlich fotografiert.41) Es ist aber auch nicht unwahrscheinlich, dass der Künstler selbst die Medien zur Preisgabe seiner „Sensation“ zuvor auf diese aufmerksam gemacht hatte. Am 21. April 2004 titelte die „Komsomol`skaja Pravda“ mit der Schlagzeile „VVP wurde zum Denkmal“42) und am selben Tag wurde die Bronzeskulptur in der Hauptnachrichtensendung „Heute“ des russischen Fernsehsenders NTV unter dem Titel „Vladimir Vladimirovič Putin im Judoanzug“ vorgestellt.43) Die darauffolgende oben zitierte Reaktion des Kremls führte dazu, dass der Künstler seine Taktik änderte und behauptete, bei der „allegorischen Skulptur `In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist`“ handele es sich nicht um eine bestimmte Persönlichkeit und es solle kein Bild eines bestimmten Menschen dargestellt werden44). Zuvor hatte er geäußert:
"Alle talentierten Künstler arbeiteten nach dem Gedächtnis, studierten die Natur. Verrocchio, Donatello, Michelangelo – so arbeiteten alle Künstler, denen ich nachfolgen wollte. Sie versuchten, den inneren Charakter des Menschen wiederzugeben, ein Bild zu schaffen, welches das persönliche Wesen einer Person widerspiegelt. [...] Ich gehöre zu den Künstlern, die, wenn ihnen ein Bild bzw. ein Mensch gefällt, diesen in die Sprache der Plastik überführen können. [...] So habe ich 1968 de Gaulle getroffen und daraufhin seine Skulptur geschaffen [...] und ich traf Putin und entschloss mich, sein Bild wiederzugeben."45)
Es ist offensichtlich, dass Cereteli an dieser Stelle aus einer völlig anachronistischen Rückprojektion sein eigenes Schaffen aus der Kunstgeschichte heraus zu legitimieren sucht. In derartigen Aussagen spiegelt sich der Versuch, die Schau der menschlichen Seele im wahrhaften Porträt anzupreisen. Heute hingegen betont der Bildhauer dezidiert, er habe nicht das Bild des Präsidenten gestaltet, sondern eine Allegorie für die sprichwörtliche Behauptung „In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist.“46) Die Zurückweisung durch den Kreml ignorierte er nicht nur, sondern er widersprach ihr geradezu. Auf die Frage, was Putin zu dem Standbild gesagt habe, zögerte er und antwortete, der Präsident habe eine Fotografie der Bronze gesehen und daraufhin Cereteli bestätigt: „Du hättest das gar nicht schlecht machen können!“47)
Warum Putin es duldet oder sogar unterstützt, dass das Hofporträt Nikas Safronovs in zahlreichen Vervielfältigungen in den Büros der Kremladministration die Stelle der ehemaligen Stalinporträts einnimmt, allerdings eine Aufstellung der Präsidentenstatue im öffentlichen Raum offiziell untersagt wurde, hat seinen Grund in der allzu augenscheinlich auf den Stalinkult rekurrierenden Darstellungsweise. Die Ablehnung, auf welche das Standbild von Seiten des Kremls stieß, beruht offensichtlich nicht auf der Ikonographie der Porträtfigur, sondern auf dem Typus der neostalinistisch anmutenden Bronzestatue. Die Errichtung einer monumentalen Putinstatue im öffentlichen Raum würde sofort globale Aufmerksamkeit auslösen und heftige Diskussionen um einen neuen Personenkult entzünden – in einem Land, das sich formal als Demokratie bezeichnet. Gelfert nennt es einen breiten Konsens, dass „Monumentalität in der Demokratie mit Notwendigkeit Kitsch werden muss.“48) Bereits im Stalinismus hatte „Unredlichkeit“ dazu geführt, dass monumentale Werke zu Kitsch geronnen, da in ihnen
"eben nicht die Größe Gottes oder eines von Gott eingesetzten Herrschers aus[gedrückt wurde], sondern die Erhöhung eines Sterblichen entgegen der gepredigten Gleichheitsideologie."49)
Wenn Cereteli vielleicht ursprünglich auch `Größeres` mit seiner Monumentalplastik vorhatte, so hat er doch eines seiner Ziele erreicht:
"Ich schaffe ein Bild des Präsidenten. Wenn dieses glückt, werde ich es im Museum aufstellen, damit verschiedene Generationen die Weisheit beschauen können, welche ich im Bild wiedergeben wollte."50)
Sergej Kalinin und Farid Bogdalov: moderne Historienmaler
Die Künstler Sergej Kalinin und Farid Bogdalov begannen 2002 die Arbeit an ihrem Gemälde „Die Tagung der föderalen Versammlung“ (Abb.8).
Ausstellungskatalog. „Zasedanie federal`nogo sobranija“. Session of the Federal Assembly. Sergej Kalin i Farid Bogdalov, Sankt Peterburg 2005, S. 44-45.
Das Bild stellt ein Remake des Bildes „Die Festsitzung des Staatsrates vom 7. Mai 1901“ von Ilja Repin dar. Der russische Wandermaler Repin hatte sein Bild 1901 im Auftrag Nikolajs II. anlässlich der Gründung des Russischen Staatlichen Sowjets gemalt. Das vier mal neun Meter große, in Kolorit, Technik und Komposition dem Gemälde Repins nachempfundene Bild Kalinins und Bogdalovs wurde vom 16. September bis zum 30. Oktober 2004 in der Ausstellungshalle „Manež“ in Sankt Petersburg gezeigt. Dargestellt hat das Künstlerpaar die nach einer von ihnen selbst im Internet initiierten öffentlichen Abstimmung ausgewählten siebenundsiebzig einflussreichsten Politiker, Geschäftsleute, Wissenschaftler und Kulturträger des Landes sowie sich selbst. Alle Personen treten in den Kostümen der hohen Beamten des Zarenhauses auf, die Repin in seinem Bild „Festsitzung des Staatsrats“ zeigt.
Das großformatige Gemälde gibt einen Einblick in einen großen, mit mächtigen Säulen umfangenen Prachtsaal, an dessen in Halbkreisen angeordneten Tischen die Führungselite des Landes Platz genommen hat. Obgleich er im Bildhintergrund an einem der Tische unter zahlreichen anderen Personen sitzt, ist Putin in der Rolle des Zaren dargestellt und wie der Zar in Repins Original bildstrategisch aus der Menge hervorgehoben. Er hat zwischen zwei Personen vor einem Bild im Bild – gerahmt von zwei großen Säulen – Platz genommen. Er wird nicht, wie viele andere Personen im Bild, von vor ihm Sitzenden verdeckt. Vielmehr wird er von den beiden neben ihm und den vier vor ihm befindlichen Personen sowie den mächtigen Säulen umfangen. Putin ist in die traditionelle, mit Orden geschmückte Zarenuniform gekleidet. Er hält ein Schriftstück in der Hand und sein Blick schweift abwesend in die Ferne.
Indem Putin im Bild die Rolle des Zaren einnimmt, wird das Präsidentenamt zum sakral legitimierten Herrschersamt überhöht und die neue Machtelite als höfische Gesellschaft sichtbar, die eine undemokratische Herrschaft ausübt. Doch die Künstler greifen dieses paternalistische Modell des „Väterchen Zar“, das auch im offiziellen Image des Präsidenten gepflegt wird, ohne kritische Distanz auf. Sie betonen nicht die Kontinuität der Selbstherrschaft oder einer autoritären Führung, sondern eine „demokratische Entwicklung“, die bei der altslavischen Volksversammlung ihren Ausgang nahm und über die Bojarenduma, die vorrevolutionäre Staatsduma und die Räte der Sowjetunion zu heutigen Formen der Demokratie verlaufe.51) Es sei normal, dass Putin als amtierender Präsident an die Stelle des ehemaligen Zaren rückt. „Das Bild berichtet einfach über die heutige Zeit“ und stelle eine „historische Schnittstelle“ dar.52) Damit inszenieren sich die Künstler als moderne Historienmaler. In das historische Amt wird Putin auch durch zwei Bilder im Bild eingeschrieben. Auf ihnen sind, wie ihm Original Repins, die Zaren Aleksandr I. und Nikolaj II. dargestellt. Auf die Frage, warum diese Zaren hinter Putin belassen worden seien, antwortete Bogdalov kurz: „Erbfolge!“53) Der Künstler sieht Putin allerdings in einer „Erbfolge demokratischer Herrscher“, denn Aleksandr I. habe vor 200 Jahren zum ersten Mal demokratisch den Gossovet eingerichtet und Nikolaj II. habe diese Tradition fortgesetzt. In dieser Inszenierung spiegelt sich ein Paradox, das auch im offiziellen Image Vladimir Putins zu finden ist. Es liegt in dem Versuch, eine autoritäre Führerfigur mit dem betont demokratischen Staatsführers zu verschmelzen. Die Paradoxie einer „gelenkten Demokratie“ zeigt sich aber nicht nur in der offiziellen Inszenierung des Präsidenten und deren Reflexen in vielen kulturellen Bereichen, sondern vor allem im System selbst:
"Der Kreml spricht sich gegen Personenkult aus – und die eifrigsten Schmeichler werden im Kreml empfangen, ernten Lob und Geld. Der Kreml beharrt auf Pressefreiheit – und Minister und Konzerne, die er kontrolliert, schalten missliebige Sender ab. Der Kreml sagt der Korruption den Kampf an – und befördert bestechliche Beamte."54)
Es bleibt auch hier die Frage nach der Motivation der Künstler, einen zeitgenössischen Präsidenten im Zarenornat abzubilden. Mit nahezu zwanghafter Vehemenz betonen Kalinin und Bogdalov, dass sie keine offiziellen Künstler seien, nie staatlich gefördert wurden und ganz im Gegenteil verlauten lassen: „Wir sind gegen das System!“55) Die beiden Künstler stammen ursprünglich tatsächlich aus der inoffiziellen sowjetischen Kunstszene und waren Bewohner der in der Perestrojka berühmt gewordenen Werkstätten der Furmann-Gasse.56) Ihre Behauptung, dass sie gegen das System seien, ist in Anbetracht ihrer heutigen Kunst kaum mehr als eine Rechtfertigungsstrategie. Auch erstaunt die Aussage der Künstler, sie hätten sich selbst ins Bild gesetzt, um zu betonen, dass es sich bei ihrem Bild auf keinen Fall um eine Auftragsarbeit handele. In der Tat kam der Auftrag für das Bild nicht aus dem Kreml. Doch bemühten sich die Künstler umgekehrt, hohe Persönlichkeiten zum Modellsitzen zu bewegen und Kalinin bedauerte es sehr, dass Putin sich zu keiner Porträtsitzung einfinden wollte.57) Zahlreiche der dargestellten Personen saßen den Künstlern jedoch persönlich Modell, darunter der Patriarch. Anscheinend wurden bei dieser Gelegenheit auch Wünsche angemeldet, wo die eine oder andere Person auf dem Bild erscheinen wollte und in welcher Weise.58) Inwiefern und in welchen Fällen die Maler solchen Wünschen nachgekommen sind ist allerdings nicht zu ermitteln. Die Künstler selbst verneinen natürlich jede Anpassung an die Vorstellungen der Porträtierten. Auch Kalinins und Bogdalovs Aussagen „Wir malen keine Politiker! [...] Wir malen keine Persönlichkeiten!“59) lassen sich als strategische Formulierungen betrachten, um möglichen Vorwürfen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten vorzubeugen.
Michael Bode: Malerei & Reklame und Medien, in: „Iskusstvo“ 6/2003, S.68
Die Künstler hatten sich selbst vor einem Porträt Vladimir Putins im Zarenkostüm zu Werbezwecken für ihre „oneworkgallery“ auf einer großen Hauswand an der Einkaufsstraße des Alten Arbats präsentiert (Abb.9) und dieses zugleich als Postkarten60) mit aufgedruckter Internetadresse sowie Namen und Titel des Werkes auf der Rückseite verkauft.61) Das Werbeplakat mit der Putinskizze wurde anscheinend nach einigen Tagen wieder abgehängt, da “wie sich herausstellte, die Benutzung des `face` dieser Figur eine besondere Genehmigung erfordert“62). Auch hier scheint es einen Eingriff von offizieller Seite gegeben zu haben.
Ein weiteres Großprojekt Kalinins und Bogdalovs, das die internationale Führungselite in Szene setzt, stellten die Künstler auf der Kunstmesse „Art Moskva“ 2005 unter dem Titel „Das russische Realismus-Projekt“63) vor. In überdimensionalen fotografischen Vergrößerungen präsentierten sie auf Stellwänden Ausschnitte aus ihrem drei mal fünf Meter messenden Großgemälde „In Erwartung einer Audienz“: die Porträts Jacques Chiracs, Junichiro Koizumis, Silvio Berlusconis, George W. Bushs, Vladimir Putins, Gerhard Schröders, Paul Martins und Tony Blairs (Abb.10).
Quelle: http://www.oneworkgallery.ru/ vom 8.10.2007.
Das Bild zeigt die Staatsoberhäupter der G8-Staaten vor einem Hintergrund aus bläulich und rötlich changierenden Farbtönen, welcher die Figuren bar jeglicher materieller Raumgestaltung in den Himmel zu erheben scheint. In kurioser Weise sind die Personen in sitzenden oder stehenden Posen gemalt, ohne dass Boden oder Sitzgelegenheiten dargestellt wären. Die Intention Kalinins und Bogdalovs war es, „auf die ewigen Fragen nach dem Verhältnis zwischen Kunst und Macht zu antworten“64). Das Bild entlarvt die selbstgefällige Erhebung der Machtelite in himmlische Höhen.
Vom 16. bis zum 26. September 2005 stellten die Künstler das Monumentalgemälde sowie Einzelporträts der Staatsoberhäupter im Museum für Moderne Kunst in Moskau aus, in dem sie bereits ihr erstes Großgemälde vorgestellt hatten. Das für eine Millionen Dollar während einer Auktion der Galerie „Sovkom“ angebotene Bild „Die Tagung der föderalen Versammlung“ fand bisher keinen Käufer. Ihr Großgemälde „In Erwartung einer Audienz“ zeigten die Künstler während des G8-Gipfels in Sankt Petersburg 2006. Es wurde anschließend von einem Medienunternehmer gekauft und wird heute in der Lindström-Datscha des Konstantinpalastes dauerhaft präsentiert.65)
Heute gehen die Künstler getrennte Weg. Farid Bogdalov widmet sich einem neuen Projekt, welches er „Das Gold der Nation“ nennt. In großformatigen Porträts stellt er nationale Sporthelden Russlands und der UdSSR der Jahre 1956 bis 1992 dar.
Dmitrij Vrubel und Viktorija Timofeeva: moderne Ethnographen
Auch die beiden Moskauer Künstler Dmitrij Vrubel und Viktorija Timofeeva, die bisher über 30 Arbeiten Putin gewidmet haben, nutzen das Bild des Präsidenten als wirksame Vermarktungsstrategie. Vrubel stammt aus der inoffiziellen sowjetischen Kunstszene. Berühmtheit erlangte er in der Perestrojka mit seinem „Bruderkuss“ Erich Honeckers und Leonid Brežnevs, den er auf der Berliner Mauer verewigt hatte. Das Bild mit dem ironischen Titel „Gott, hilf mir, diese tödliche Liebe zu überleben“ wurde in großer Auflage auf Postkarten und Souvenirs abgedruckt und wird bis heute als Touristenartikel vermarktet.
Quelle: http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/1694236.stm vom 22.10.2007.
2001 erschienen zwei Bilder Vrubels und Timofeevas, die den im Schneidersitz sitzenden Putin im Judoanzug zeigen (Abb.11). Diesen Gemälden liegt eine populäre Fotografie zugrunde, welche auch in dem wahlpropagandistischen Buch „Aus erster Hand“66) mit dem Begleittext „Judo ist eine Philosophie“ abgebildet wurde. Ebenso zierte sie den Einband eines Buches mit dem Titel „Judo: History, Theory, Practice“67), einer Anleitung zum Judosport unter Mitautorschaft Vladimir Putins.68) Auf den Gemälden Vrubels ist Putin in legerer Pose dargestellt. Der schwarze Gürtel weist seinen Träger als Judo-Meister aus. Die Füße des Präsidenten sind in weiße Frotteesocken gehüllt. Eines der Bilder trägt den Titel „Judogenie“ und spielt auf das bereits beschriebene Image Putins als körperlich und geistig versierter Kämpfer an. Auf der Variante des Bildes mit dem Titel „Der ideale Liebhaber“ hat Putin zusätzlich an der linken Brustwarze ein von den Künstlern hinzugefügtes Piercing. Durch das Piercing wird Putin einer jugendlichen Generation zugeordnet. Das Bild spielt mit dem Image des sportlichen, jungen Mannes: der Präsident wird zum erotisch aufgeladene Star und zum Sexobjekt stilisiert. Er ist auf dem Bild „Der ideale Liebhaber“ wie aus einer Vorlage ausgeschnitten, vor monochrom-hellblauem Hintergrund abgebildet. Die Figur ist auf diese Weise aus einem ursprünglich materiellen Kontext herausgelöst und scheint gleichsam schwerelos zu schweben. Diese ästhetische Heraushebung folgt einer Form charismatischer Starinszenierung:
"Ob Bühne, Filmleinwand, Monitor oder Photographie – der Star benötigt zur Fokussierung seiner Erscheinung im Blickfeld des Zuschauers die visuell-ästhetische Akzentuierung, ein ästhetisches Umfeld, ein inszeniertes Ambiente, in dem er in besonderer Weise sichtbar wird. Er benötigt eine wie auch immer gestaltete `Außeralltäglichkeit`."69)
Vrubels Bild des Judoka Putin ist auch, wie es für Starbilder typisch ist, in Form einer Postkarte erhältlich. Vrubel selbst bezeichnete Putin als „eine Art Michael Jackson“ – einen Superstar. Er ist in Russland nicht nur ein Medienstar, sondern eine „visuelle Konstante“, neben der alle anderen Bilder und Ereignisse verblassen. Den russischen Präsidenten als Popstar zum Thema seiner Kunst zu machen begründet Vrubel vor allem damit, dass nach einer Zeit der „visuellen Pause“ bis 1999, in der weder Jelzin, noch die Oligarchen, noch sonst jemand als Helden taugten, plötzlich der „Popheld Putin“ auftauchte und alle Medien ad hoc eroberte.70) Die künstlerische Gestaltung, die Vrubel vornimmt, ist somit als Kommentar zur medialen Inszenierung des russischen Präsidenten zu sehen.
Die Bilder „Der ideale Liebhaber“ und „Das Judogenie“ wurden vom Ministerium für Kultur im Auftrag der Kremladministration gekauft. Dies überraschte Vrubel sehr und der unerwartete Erfolg motivierte ihn, das Putinthema in seiner Kunst weiterzuverfolgen.71) Es hätte nicht verwundert, wenn das Bild, das Putin mit Brustwarzenpiercing zeigt, als äußerste Provokation wahrgenommen und kritisiert worden wäre. Offensichtlich passt eine derart `coole` Darstellung aber gut in das gewünschte Image des Präsidenten als modernem `Popstar`. Warum diese Bilder von offizieller Seite aufgekauft wurden, in wessen Besitz sie überführt wurden und wo sie sich derzeit befinden, ist allerdings nicht zu ermitteln. Auch der Künstler selbst konnte darüber keine Auskunft geben.
Quelle: http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/1694236.stm vom 22.10.2007.
Einen besonderen Erfolg verzeichneten Vrubel und Timofeeva auch mit ihren Putinkalendern. 2001 schuf das Künstlerpaar einen Kunstkalender mit dem Titel „Die 12 Stimmungen des Präsidenten“ (Abb.12). Auf jedem Blatt der zwölf Kalendermonate ist das Gesicht des Präsidenten in unterschiedlicher Gestik und Mimik zu sehen. Putins Gesicht ist auf den einzelnen Kalenderblättern ähnlich dargestellt. Sie sind einander in Farbgebung, Größe und bildgrundfüllender, kontextloser Präsentation vor weißem Hintergrund angeglichen. Bei den Gesichtsausschnitten handelt es sich um von Pressefotografien abgezeichnete und mit Ölfarbe gemalte Bilder. Die Originalmalereien wurden durch Druck auf die Kalenderblätter vervielfältigt. Mit ihren künstlerischen Formulierungen, die Gesicht und Gesten im Zoomverfahren vorführen, thematisieren die Künstler die mediale Konstruktion des öffentlichen Bildes eines Prominenten. In serieller Form führen sie systematisch vor Augen, wie ein „Image“ als ein öffentliches Gesicht entsteht.72) Damit nehmen sie, im künstlerischen Verfahren der Malerei, Bezug auf fotografische Bilder, die ein medienwirksames „Image“ konstruieren sollen. Um dies zu veranschaulichen lassen sie auch die zum Zwecke der genauen Übertragung von den fotografischen Vorlagen auf die Leinwand verwendeten Rasterlinien zum Teil sichtbar.
Die Künstler weckten durch PR-Aktionen in Kreisen der Kremlverwaltung sehr gezielt und erfolgreich Interesse für ihre Putinkalender. Schon der erste Kalender war nicht auf dem „freien Markt“ erhältlich, sondern wurde zum großen Teil von Beamten der Kremladministration gekauft. Einige Exemplare wurden als Geschenke an Putin überreicht.73) Schon sehr schnell wurde der Kalender mit einer Auflage von 1000 Exemplaren zu einem gefragten Objekt und zu einer Rarität: die Nachfrage überstieg das Angebot. Auf einer zu PR-Zwecken organisierten Auktion wurde einer der Kalender zum Preis von 5000 Euro verkauft74). Die Schlagzeiten darüber erhöhten die Popularität und das Prestige des Kalenders. Wenn Kremlbeamte Putinkalender kaufen und aufhängen, steht das einerseits in der Bildtradition sowjetischer Herrscherporträts. Andererseits verweisen russische Kunstkritiker darauf, dass Vrubels Kalenderblätter im Gegensatz zu Safronovs Putinporträt, das in einer klassischen Bildsprache gehalten ist, eine „modernere Variante“ darstellen und somit auf die „liberalere Gesinnung“ ihrer Nutzer verweisen.75)
Zufrieden berichtete Vrubel, dass ihn viele Leute nach dem Erscheinen seines ersten Putinkalenders im darauffolgenden Jahr enttäuscht gefragt hätten, was sie denn nun zum Neuen Jahr verschenken sollten. Erst daraufhin habe er den nächsten Kalender konzipiert. Diese Darstellungsweise suggeriert, der Künstler habe auf eine Nachfrage geantwortet. Doch ist auch von einer anfänglichen Eigeninitiative des Künstlers auszugehen. Vrubel pries seine Werke sehr gezielt an, etwa durch Werbematerial, das er an die Politprominenz und hochrangige Kulturträger schickte. Für seine Kalender fand er schnell Sponsoren, deren Interessen er fortan ebenfalls berücksichtigen musste. So stieß offenbar der Gesichtsausdruck Putins auf dem Kalenderblatt „November“ im ersten Putinkalender auf großes Missfallen und ein Sponsor bat Vrubel, dieses Bild mit Rücksicht auf eine eventuelle Beleidigung des Präsidenten auszutauschen.76) Vrubel weigerte sich und bestand auf seiner Auswahl der Bilder. Ob das Novemberbild dem Künstler tatsächlich ernsthafte Probleme bereitet hatte, oder ob er diese Geschichte erzählt, um sich als autonomer Künstler zu legitimieren und Anschuldigungen vorzubeugen, er lasse sich in seinen künstlerischen Entscheidungen beeinflussen, muss Spekulation bleiben.
Weiter erzählt Vrubel, dass der Kremlmitarbeiter Andrej Vološin auf ihn zugekommen sei und ihm das Porträtieren der Politelite vorgeschlagen habe. Vrubel antwortete, er habe ein solches Projekt bereits geplant gehabt und auch schon einen Titel: „Das Porträt der Epoche“. In diesem Falle scheinen die Grenzen zwischen künstlerischer Eigeninitiative und Auftrag zu verschwimmen. Vrubel wurde in den Kreml eingeladen, betont allerdings, dass er an „einem allzu großen Kontakt“ nicht interessiert war:
"Wir sind auch jetzt nicht sonderlich daran interessiert, nähere Bekanntschaft zu machen, denn das ist eine gefährliche Sache. Die fangen sofort an, einen zu korrigieren – `Malen Sie mich so und so.` Deshalb ist es wichtig, die Leute zwar zu sehen, aber selbst nicht in ihren Kreisen zu verkehren."77)
Vrubel beschreibt hier einen Balanceakt zwischen dem Anspruch auf künstlerische Unabhängigkeit und der Notwendigkeit einer kommerziellen Vermarktung seiner Kunst bzw. der Notwendigkeit, Sponsoreninteressen zu berücksichtigen oder sich gegen Einmischung von Auftraggebern zur Wehr zu setzen. Wer als Künstler den russischen Präsidenten darstellt, scheint ständiger Legitimationsnot zu unterliegen. So verfasste Vrubel eigens einen Artikel in der russischen „Kunstzeitschrift“, um zu erklären, was ihn von einem „staatlichen Künstler“ unterscheide. Er arbeite nie auf Bestellung, sondern gestalte seine Projekte stets eigenständig und sei froh, wenn diese dann Abnehmer fänden.78) Würde man ihn allerdings einen „Staatskünstler“ nennen und „Das Porträt der Epoche“ zu einem „Staatsprojekt“ erklären, so würde er sofort aussteigen, da er „das Eigene nicht verlieren“ wolle.79) Das Thema „Der Künstler und die Macht“ versteht er nach eigenen Aussagen nicht als eine Zusammenarbeit mit der Macht, sondern vielmehr als eine Erforschung der Macht:
"Es gab bei uns so einen Forscher, Miklucho-Maklai, der als erster das Leben der Papua-Neuguinesen beschrieben hat. Um ihr Leben zu beschreiben, muss man mit ihnen und nach ihren Gesetzen leben. Wenn wir das Thema der russischen Elite behandeln, dann tun wir das auf ihrem Territorium. Und wenn man mir im Kreml so ein Thema anbietet, dann ist das geradezu normal. Diese Woche, die wir im Föderationsrat verbrachten – das war Miklucho-Maklai`-Forschung in Reinform."80)
Die aus Vrubels und Timofeevas „ethnischen Studien im Kreml“ entstandene Bilderfolge „Das Porträt der Epoche“ wurde im Mai 2006 in der Staatlichen Duma in Moskau ausgestellt.
Eine neuere Bildschöpfung des Künstlerpaars zeigt nicht nur die „größten Stars“ der modernen russischen Medienwelt, es nimmt auch selbst gigantische Ausmaße an: 3,5x25 Meter misst ihre vom 18. Mai bis zum 20. Juni 2007 im Ausstellungsraum Marat Guelmans im Kunstzentrum „Vinzavod“ präsentierte Leinwand mit dem Titel „2007“ (Abb.13).
Quelle: http://dmitrivrubel.livejournal.com/2007/10/10/ vom 22.10.2007.
„2007“ besteht aus zwei gigantischen Wandgemälden, auf denen 22 Personen – mit Fokus auf deren stark vergrößerte Gesichter – dargestellt sind. Auf dem linken Teil sind Roman Abramovič, Alla Pugačeva, Michail Kas`janov, Garri Kasparov, Eduard Limonov, Saddam Hussein, Bill Gates, Marat Guelman, Jurij Lužkov und George W. Bush zu sehen. Auf dem rechten Teil der Patriarch Aleksej II., Michail Chodorkovskij, Vladimir Putin, Boris El`cin und Leonid Brešnev. Aleksandr Litvinenkos Gesicht ist in zwei Hälften geteilt auf beiden Bildern zu sehen – an der Stelle, wo die Wandgemälde aufeinander treffen. Die Vorlage für die ins Monumentale gesteigerten Gesichter entnahmen die Künstler, wie bei den meisten ihrer Arbeiten, der Presse. Die Entstehung der Großleinwand „2007“ dokumentierte Vrubel in seinem Internet-Tagebuch, in welchem auch viele der Pressebilder zu sehen sind.81) Kurios ist das Bild Vladimir Putins, der Ohrenschützer trägt und eine Pistole in der rechten Hand hält. Es entstammt einer Pressefotografie, die ihn bei einem Besuch des Militärgeheimdienstes an einem Schießstand zeigt. In der Collage der Künstler scheint es so, als richte Putin die Pistole direkt auf den hinter ihm hinter Gittern dargestellten Chodorkovski. Auch der links im Bild dargestellte sterbende Litvinenko befindet sich in der potentiellen Schusslinie des bewaffneten Präsidenten. Die Künstler selbst beabsichtigten mit „2007“ jedoch keinerlei eindeutige Aussagen. Ihren Angaben zufolge handelt es sich bei dem Bild sehr subjektiv um „das Chaos im Kopf Vrubels und Timofeevas“82), dass von den täglichen Bilderfluten der Medien ausgelöst wurde. Die Leinwand zeigt ins kollektive Gedächtnis eingebrannte Medienbilder, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen. Ähnlich wie bei der amerikanischen Popart, die sich das Künstlerpaar nach eigenen Aussagen zum Vorbild nahm, bleibt bei den Bildern Vrubels und Timofeevas unklar, ob die reproduzierten Medienbilder kritische Kommentare, affirmative Wiederholungen oder einfach „Dokumentation“ der Medienikonen darstellen. Die Interpretationen überlassen die Künstler den Betrachtern.
Vrubel und Timofeeva verkaufen ihre Kunst an Kremlmitarbeiter und ans Kulturministerium und stellen ihre Werke in der Duma aus. Doch auch in Russlands aktueller Kunstszene ist das Künstlerpaar erfolgreich. Sie werden von Marat Guelman, einem der bedeutendsten Galeristen Moskaus vertreten und waren 2007 zusammen mit 24 anderen russischen Künstlern Anwärter auf den Kandinsky-Preis (Künstler des Jahres). Dieser Preis wurde 2007 von der russischen Kunstzeitschrift „ArtChronika“ und der Deutschen Bank erstmals verliehen. Den Künstlern gelingt beides: Porträtlieferanten des Kremls zu sein und als erfolgreiche Künstler in der aktuellen russischen Kunstszene Anerkennung zu finden.
Putinkult
Die Darstellung des Präsidenten ist für viele russische Künstler zu einer erfolgsversprechenden PR-Strategie geworden. Ihre Putinkunst ist Teil eines auf verschiedenen Ebenen der russischen Kultur existierenden Putinkultes. Dieser knüpft an traditionelle Strukturen der sowjetischen und zaristischen Herrscherverehrung an. Der demonstrative Gebrauch der Präsidentenporträts verspricht auch heute berufliche Erfolge. Offenbar gibt es Mechanismen einer systematischen Distribution unterschiedlichster Putinporträts an Fabriken, Firmen und Unternehmen. Die in Form seines Bildes öffentlich kenntlich gemachte Ehrerbietung an den Präsidenten ist inzwischen zum Verhaltenskodex der neuen russischen Polit- und Wirtschaftselite geworden.83) Gleichzeitig ist eine Kommerzialisierung des Präsidentenbildes zu beobachten. Das Bild Putins wird genutzt, um Geld zu verdienen und die eigene Popularität zu steigern. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in einer inzwischen auch in Russland kommerzialisierten Kunst- und Kulturszene, verheißen Name und Bild des Präsidenten ein lukratives Geschäft. Ob sich die Devise „Putin verkauft sich immer!“ allerdings in die Tat umsetzen lässt, hängt vom kommerziellen Geschick und den individuellen Vermarktungsstrategien der einzelnen Künstler ab. Den hier betrachteten Künstlern sind zwar unterschiedliche Künstlerverständnisse eigen und sie legitimieren ihre eigene Kunst zum Teil auf sehr verschiedene Arten. Trotz dieser Unterschiede ist die Präsidentendarstellung in ihren Werken immer auch als Versuch anzusehen, die Popularität des eigenen Werkes zu steigern und nach Möglichkeit Gewinn aus diesen Bildern zu ziehen.
Anmerkungen:
* Der vorliegende Artikel ist im Rahmen der von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Dissertation über Vladimir Putin in Kunst und Massenmedien in Russland entstanden. Er wurde erstmals veröffentlicht in: OSTEUROPA, 57.Jg., 10/2007, S. 51-66.
- Daneben gibt es auch Kunstwerke, die das Präsidentenporträt zum Teil auf ironische, zum Teil auf sehr radikale Weise dekonstruieren. Zu erinnern ist an die Arbeiten der „Blauen Nasen“, Konstantin Latyshevs oder Vladislav Mamyshev-Monroes. Ihre Arbeiten sollten bei der Ausstellung „Learning from Moscow. Positionen aktueller Kunst aus Moskau“ gezeigt werden, die vom 24. Mai bis 2. September 2007 in der Städtischen Galerie in Dresden zu sehen war. Einige Werke dieser Künstler, die Putin zeigten, ließ der russische Zoll nicht passieren. Diese künstlerischen Arbeiten werden im vorliegenden Artikel nicht berücksichtigt.
- Bei der Frage nach dem künstlerischen Selbstverständnis und der Intention der einzelnen Künstler werden Interviews herangezogen, die ich 2005 in Moskau mit den Künstlern geführt und aufgezeichnet habe (zum Teil wurden die Interviews gemeinsam mit der Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Natalja Konradova durchgeführt).
- „Selbstvermarktung“ kann als ein aktives und zielgerichtetes Verhalten von Künstlern bezeichnet werden, durch das sie sich Präsenz in der Öffentlichkeit verschaffen, sich und ihre Werke bekannt machen und schließlich jeder Versuch, Käufer oder professionelle Vermarkter ihrer Kunst zu finden. Vgl. Marion Hirsch: Selbstvermarktung von Künstlern. Grundlagen, Strategien, Praxis, Berlin 2005, S. 12.
- Aleksandr Šuvčuk: Nikas Safronov: „Ich will, dass mein Haus meinem Ich entspricht“, in: „Novye izvestija“, 26.4.2004 (Quelle: http://www.newizv.ru/news/?id_news=6112&inset=kvartira&date=2004-04-26 vom 29. Juni 2005).
- Kerstin Holm: Wladimir Putin – Der Vielgesichtige, in: FAZ, 27.7.2005, S. 40.
- Diese Aussage entstammt einem Interview Aleksandr Nikonovs mit Nikas Safronov in: „RASPUTIN“, 5/2005, S. 5-9, S. 5.
- Diese Aussage entstammt einem von Natalja Konradova und mir im Juni 2005 durchgeführten Interview mit Nikas Safronov. Dieses und alle im Folgenden zitierten Interviews wurden, wenn nicht anders vermerkt, von der Verfasserin geführt und dokumentiert.
- Interview Safronov.
- Zit. nach „RASPUTIN“, 5/2005, S. 7.
- Zit. nach Jurij Ginsburg: „Zwischen Dali und Putin. Die Karriere des Moskauer Künstlers Nikas Safronov“, in: Berliner Zeitung, 23.12.2000 (Quelle: http://nikas-s.ru/press/pr19.shtml vom 28. Juli 2005).
- Zit. nach Safonov, in: „RASPUTIN“, 5/2005, S. 5.
- Roman Kozak: Ein Geschenk vom Präsidenten, in: „Žizn`“, 10.4.2002 (Quelle: http://nikas-s.ru/press/pr20.shtml vom 29. Juli 2005).
- Aus einem Bericht von Frank Schmidt und Darius Cierpialkowski, DWTV, 22.1.2004.
- Dieses Zitat stammt aus einem Bericht von BBC Moskau vom 9.3.2004 (Quelle: http://newswww.bbc.net.uk/hi/russian/russia/newsid_3547000/3547241.stm vom 29. Juli 2005).
- Interview Safronov.
- Dieses Zitat entstammt einem Interview mit Elena Chrenova, in: „Mir Aeroflota“, No. 44, August 2001 (Quelle: http://nikas-s.ru/press/pr10.shtml vom 29. Juli 2005).
- Interview Safronov.
- Interview mit Jurij Golovin, in: „Great Washington“ № 3 (38), 2003 (Quelle: http://nikas-s.ru/press/pr30.shtml vom 29. Juli 2005).
- Reproduktionen seines Putinporträts wurden zu hohen Preisen in Souvenirläden in Moskau feilgeboten. Vgl. Marija Kravcova: „Was kostet der Präsident?“, in: “Art Chronika“, 4/2002, S. 74-75.
- Interview Safronov.
- Interview Safronov. Safronov bezieht sich hier auf eine Anekdote aus Vasaris Viten, in der es heißt, dass Leonardo in den Armen François I. gestorben sei. Diese Geschichte gilt als widerlegt, da sich François I. zum Zeitpunkt des Todes da Vincis an einem anderen Ort befand. Vgl. Giorgio Vasari: Das Leben von Lionardo da Vinci, Raffael von Urbino und Michelagnolo Buonarroti, Stuttgart 1996, S. 33, Anm. 49.
- Zit. nach „RASPUTIN“, 5/2005, S. 5.
- Vgl. Kerstin Holm: Postsowjetischer Kunstzar. Die Belebung des Denkmalmarkts begrüßte er: Zu Besuch bei Surab Konstantinowitsch Zereteli, in: FAZ, 24.4.2004, S. 38.
- In seiner Einweihungsrede äußerte der russische Patriarch Aleksej II.: „ [...] diese Kathedrale war, und wird – so gebe Gott – ein Symbol unseres erneuerten Gedenkens sein, ein Symbol der Heiligen Rus`.“ Zit. nach Valerij Perfil`ev: Religiöse Themen in der Skulptur, in: „DI. Žurnal moskovskaja museja sovremennogo iskusstva“, 7-8/2003, S. 88.
- Unter anderen das Denkmal „Das Gute besiegt das Böse“ vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in New York, eine Kolumbusstatue in Sevilla und das Denkmal zum Gedenken an den 11. September „To the Struggle Against World Terrorism“, das am 11. September 2006 in Bayonne, New Jersey eingeweiht wurde.
- Der Titel geht auf Juvenals Motto “Mens sana in corpore sano” zurück.
- Vgl. Pavel Sigalov: „Zurab Cereteli nahm sich Vladimir Putin vor“, in „Kommersant`“, 20.4.2004, S. 8.
- Die „Komsomol`skaja Pravda“ kolportierte, ihm habe als Titel „Russische Wahrheit“ und „Russland XXI“ vorgeschwebt. „Komsomol`skaja Pravda“, 28.4.2004 (Quelle: http://www.vrn.kp.ru/news/252315/ vom 28. Juni 2005).
- Vgl. Darius Cierpialkowski in der Reportage „Putinkult“, die am 7.5.2004 von DWTV ausgestrahlt wurde und Pavel Sigalov: „Zurab Cereteli nahm sich Vladimir Putin vor“, in „Kommersant`“, 20.4.2004, S. 8.
- Vgl. zum Topos der Weisheit im Mythensystem Stalin Ursula Justus: Literatur als Mythenfabrik. I.V. Stalin als literarische Figur in ausgewählten Werken der Stalinzeit, Bochum 2004, S. 549 (veröffentlicht unter: http://www-brs.ub.ruhr-uni-bochum.de/netahtml/HSS/Diss/JustusUrsula/).
- Nach Galina Orlova wird Putin gerade durch die Epitheta „Stärke“ und „Härte“ als Held und Retter inszeniert. Vgl. Galina Orlova: Der politische Körper des Präsidenten, in: „Kritika i semiotika“, 3/4, Novosibirsk 2001, S. 72.
- So Ceretelis Pressesekretärin Ira Turaeva in einem Interview mit mir am 20.6.2005 in Moskau.
- Kitsch entsteht nach Eco dann, wenn „ein aus seinem Zusammenhang gerissenes Stilmittel in einen anderen Kontext eingefügt wird, dessen Struktur nicht dieselben Merkmale der Homogenität und Notwendigkeit wie die ursprüngliche Struktur besitzt“. Umberto Eco: Apokalyptiker und Integrierte. Zur kritischen Kritik der Massenkultur, Frankfurt/M. 1992, S. 88. Aus diesem Grunde wirkt der an eine Büste des Kaisers Konstantin erinnernde Putinkopf auch derart lächerlich. Cereteli selbst hat sich gerühmt, dass es im gelungen sei, der Plastik die „typischen Gesichtszüge“ Putins zu verleihen. Dies äußerte er in einem Interview des russischen Fernsehsenders NTV in der Nachrichtensendung „Heute“, in der am 21.4.2004 eine Kurzreportage über die Putinskulptur ausgestrahlt wurde.
- Hans-Dieter Gelfert: Was ist Kitsch? Göttingen 2000, S. 16.
- Hans-Dieter Gelfert: Was ist Kitsch? Göttingen 2000, S. 56.
- Interview Turaeva.
- Zit. nach Boris Vojcechovskij: „Der Skulpturenvater“, in: „Moskovskij Komsomolec“, 23.9.2002, S. 6.
- Zit. nach Boris Vojcechovskij: „Der Skulpturenvater“, in: „Moskovskij Komsomolec“, 23.9.2002, S. 6.
- Zit. nach Boris Vojcechovskij: „Der Skulpturenvater“, in: „Moskovskij Komsomolec“, 23.9.2002, S. 6.
- Zit. nach Aleksandr Gamov: „Wer ist wer im Kremlstab? Sieben naive Fragen über den Präsidenten und seine Administration“, in: „Komsolmol`skaja Pravda“, 24.4.2004, S. 9.
- Pavel Sigalov: „Zurab Cereteli nahm sich Vladimir Putin vor“, in „Kommersant`“, 20.4.2004, S. 8.
- Boris Vojcechovskij: „VVP wurde zum Denkmal. Zurab Cereteli schuf eine 5-Meter-Skulptur des russischen Präsidenten“, in: „Komsomol`skaja Pravda“, 21.4.2004, S. 4.
- NTV, „Heute“, 21.4.2004.
- Interview Turaeva.
- Zit. nach einem Bericht der Internetnachrichtenseite von RFN vom 20.4.2004 (Quelle: http://rfn.ru/cnews.html?id=21087 vom 28. Juni 2005).
- Diese Aussage entstammt meinem Interview mit Zurab Cereteli am 25.7.2005 in Moskau.
- Interview Cereteli.
- Hans-Dieter Gelfert: Was ist Kitsch? Göttingen 2000, S. 57.
- Hans-Dieter Gelfert: Was ist Kitsch? Göttingen 2000, S. 57.
- Zit. nach einem Bericht der Internetnachrichtenseite von RFN vom 20.4.2004 (Quelle: http://rfn.ru/cnews.html?id=21087 vom 30. Juni 2005).
- Vgl. Ausstellungskatalog. „Zasedanie federal`nogo sobranija“. Session of the Federal Assembly. Sergej Kalin i Farid Bogdalov, Sankt Peterburg 2005, S. 5.
- Interview Kalinin/Bogdalov.
- Interview Kalinin/Bogdalov.
- Boris Reitschuster: Wladimir Putin. Wohin steuert er Russland, Berlin 2004, S. 192.
- Interview Kalinin/Bogdalov.
- Vgl. Werkstätte Furmannstrasse, La Chaux-de-Fonds 1990.
- Diese Information entstammt einem am 7.5.2004 von DWTV gesendeten Fernsehbericht von Darius Cierpialkowski mit dem Titel „Putinkult“.
- Interview Kalinin/Bogdalov.
- Interview Kalinin/Bogdalov.
- Als in den Massenmarkt eingespeiste Merchandisingartikel sind mit Kunstmotiven bedruckte Artikel begleitende Produkte der eigentlichen Kunstwerke und ein effektives Mittel zur Steigerung des Bekanntheitsgrades von Künstlern. Im Verkauf von Bildrechten an solchen Produkten kann eine entscheidende Einnahmequelle für Künstler gesehen werden. Vgl. Marion Hirsch: Selbstvermarktung von Künstlern. Grundlagen, Strategien, Praxis, Berlin 2005, S. 62.
- Ihre „oneworkgallery“, die als besonderen Clou pro Ausstellung nur ein Bildwerk ausstellt, hatten die Künstler ins Leben gerufen, um sich selbst auf dem Kunstmarkt zu vertreten. Marion Hirsch verweist auf die entscheidende Bedeutung von Galerien bei der Selbstvermarktung von Künstlern. Vgl. Marion Hirsch: Selbstvermarktung von Künstlern. Grundlagen, Strategien, Praxis, Berlin 2005, S. 44-46.
- Zit. nach Michael Bode: „Malerei & Reklame und Medien“, in: „Iskusstvo“, 6/2003, S. 69.
- „Das russische Realismus-Projekt“ ist der Versuch, den Realismus als nationales russisches Phänomen wiederzubeleben. Auf der Internetseite der Künstler fand sich im Juli 2005 eine eigenwillige Definition von Kunstgeschichte: „Die Geschichte der Kunst ist eine Evolution des Realismus, ein Übergang von einem Modell desselben zum nächsten: der klassische Realismus Griechenlands und Roms, der westeuropäische Akademismus, die Romantik, der Naturalismus, der Sozrealismus, der Fotorealismus. Die Abweichungen vom Realismus (der Symbolismus, Abstraktion und andere, einschließlich die gesamte Avantgarde des 20. Jahrhunderts) sind nur Übergangsformen von einem realistischen Modell zum nächsten.“ (Quelle: http://oneworkgallery.ru/mission.html vom 28. Juli 2005).
- Quelle: http://www.museum.ru/N23559 vom 15. Juni 2007.
- So Konstantin Sokolov, Lindström-Datscha, August 2007. Über den Namen des Käufers und den Preis des Bildes herrscht Vertraulichkeit.
- Natalja Geworkjan/Andrei Kolesnikow/Natalja Timakowa: Aus erster Hand. Gespräche mit Wladimir Putin, München 2000.
- Vladimir Putin/Vasily Shestakov/Alexey Levitsky: Judo. History, Theory, Practice, Berkeley 2004.
- Dieses Beispiel zeigt die Vereinnahmung des Bildes für Verkaufszwecke.
- Jens Thiele: Künstlerisch-mediale Zeichen der Starinszenierung, in: Werner Faulstich/Helmut Korte (Hrsg.): Der Star. Geschichte – Rezeption – Bedeutung, München 1997, S. 136-145, S. 136.
- Interview Vrubel.
- Interview Vrubel.
- Vgl. Ulrich Raulff: Image oder Das öffentliche Gesicht, in: Das Schwinden der Sinne, hrsg. von Dietmar Kamper und Christoph Wulf, Frankfurt/M. 1984.
- Jens Hartmann: Die 12 Stimmungen des Präsidenten, in: Die Welt (Quelle: http://www.dinform.ru/archive/docs/full/2001/12/s21130076.html vom 27. Juli 2005).
- Nikolaj Molok: „`Putin` für 5000 Euro verkauft“, in „Izvestija“, 21.10.04 (Quelle: http://www.izvestia.ru/culture/article555229 vom 29. Juli 2005).
- So Nikolaj Molok, Moskau Juli 2005 und Dmitrij Vrubel, Moskau Juni 2005. Inwiefern der demonstrative Gebrauch unterschiedlicher Putinbilder (Fotografien, Safronovs Putinporträt oder Vrubels Putinkalender) tatsächlich als Ausdruck politischer Gesinnung intendiert oder gedeutet wird, ist jedoch nur ausgesprochen schwer zu ermitteln.
- Interview Vrubel.
- Interview Vrubel.
- Dmitrij Vrubel: Was bedeutet es, ein staatlicher Künstler zu sein? In: „Chudožestvennyj Žurnal“, 54/2004, S. 54.
- Interview Vrubel.
- Interview Vrubel.
- http://artvrubel.livejournal.com
- http://www.guelman.ru/gallery/moscow/2007/
- Die Anschaffung von Putinbildnissen scheint dabei einem impliziten Zwang zu unterliegen. Reitschuster folgert, dass sich viele Beamte, Manager und Künstler in Russland dem neuen Kreml-Herrscher in vorauseilendem Gehorsam unterordnen und – wie einst die „Konjunkturščiki“ des Zaren – auf politische Karrieren und persönliche Vorteile hoffen. Vgl. Boris Reitschuster: Wladimir Putin. Wohin steuert er Russland, Berlin 2004, S. 226.