Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war in Brasilien der Sklavenhandel erlaubt und auch nach dem Verbot war das Interesse an Sklaven immer noch groß. Die Historikerin Melina Teubner erforscht dabei in ihrem aktuellen Dissertationsprojekt die Geschichte brasilianischer Sklavenschiffsköche. Dafür reiste sie auch nach Brasilien, um biographische Quellen zu verschiedenen Köchen zu studieren. Für ihre Magisterarbeit zum selben Thema wurde sie mit dem Georg-Rudolf-Lind-Förderpreis für Lusitanistik ausgezeichnet. Wir wollten von ihr wissen, woher die Köche kamen, wie ihr Alltag aussah und was sie kochten.
"Einzelne Köche im besten Fall an verschiedenen Orten wiederfinden"
L.I.S.A.: Wo finden Sie Informationen über das Leben der Sklaven auf hoher See? Mussten Sie dazu nach Brasilien reisen?
Teubner: Informationen über das Leben von Sklaven und ehemaligen Sklaven auf hoher See zu finden, ist nicht ganz einfach. Ein Großteil der Menschen, die an Bord von Sklavenschiffen arbeiteten, waren Analphabeten oder konnten wenig mehr als ihren eigenen Namen schreiben. Dies traf vor allem auf Menschen in niedrigen Positionen zu. Zu den niedrigeren Positionen an Bord von Sklavenschiffen zählte die Arbeit als einfacher Matrose, Koch, Essensverteiler (Menschen die das Essen in die Laderäume der Gefangenen brachten und dort verteilten) und Lotse. Es ist deshalb sehr schwierig, Aufzeichnungen zu finden, die diese Menschen selbst hinterlassen haben. Allerdings gibt es Dokumente, in denen die Mannschaftsmitglieder der Schiffe Erwähnung finden bzw. in Verhören zu Wort kommen. Das können zum Beispiel Mannschaftslisten von Schiffen, Verhöre durch die Polizei, Bordtagebücher, Hafeneinfahrtslisten oder auch Berichte von Reisenden sein. Nach dem Verbot der Sklaverei im 19. Jahrhundert haben die Schiffseigner allerdings versucht, möglichst wenige Aufzeichnungen zu hinterlassen und aus diesem Grund beispielsweise Bordbücher vor einer Kontrolle durch die britische Marine ins Meer geworfen, um damit zum Teil wichtige Beweise zu vernichten, was die Suche für diesen Zeitraum etwas erschwert.
Die Kontrollen durch die britische Marine bescheren allerdings eine andere Gruppe von Quellen, die sehr wichtig ist. Seitdem der Sklavenhandel verboten worden war, kontrollierte das britische Militär Schiffe auf dem Atlantik. Konnten diese als Sklavenschiffe deklariert werden, weil sie entweder Gefangene an Bord hatten oder die Ladung einen Hinweis hierauf gab, wurden Teile der Mannschaften vor binationale Gerichtshöfe gestellt, die sogenannten mixed courts, und zu der jeweiligen Reise und ihren Lebensgeschichten befragt. Unter diesen Befragten waren zum Teil auch Sklaven und ehemalige Sklaven. Da die Besatzungen an unterschiedlichen Stellen vor Gericht gestellt wurden, ist es allerdings notwendig, verschiedene Archive aufzusuchen.
Für mein Projekt plane ich Forschungsaufenthalte in verschiedenen Archiven. Ich werde nach Rio de Janeiro, Lissabon, Luanda, São Tome und London reisen, um eine möglichst große Anzahl an unterschiedlichen Quellen zu finden und um einzelne Köche im besten Fall an verschiedenen Orten wiederzufinden. Die Quellen und Informationen dann zusammenzusetzen, gleicht zu Beginn häufig einem Puzzle, in dem häufig sogar Teile fehlen. Besonders die Reise nach Brasilien ist aber auch wichtig, weil es in Brasilien viele Forscher gibt, die zu ähnlichen Themen arbeiten, und ein Austausch mit diesen Forschern daher sehr wichtig ist.